"Ich entschuldige mich bei unseren Kunden"
OBERNBURG (mk/jm). Insolvenz in Eigenverwaltung - die Nachricht vom wirtschaftlich gebeutelten Traditionsunternehmen Wohn-Center Spilger in Obernburg sorgte Anfang Juni in der ganzen Region für Aufsehen und Gesprächsstoff. Weitreichende Folgen nicht nur für das Unternehmen selbst, sondern auch für Geschäftspartner und besonders für einige Kunden, die zu dem Zeitpunkt schon Verträge mit dem Möbelhaus abgeschlossen hatten. Die gehen nach wie vor auf die Barrikaden und erheben teils schwere Vorwürfe gegen Spilger.
Isabell Mollner spricht stellvertretend für eine Gruppe von Geschädigten. „Anfang Mai hatten wir eine Küche bestellt und 50 Prozent angezahlt“, erinnert sich die Mönchbergerin. Aus der Presse erfuhr Mollner schließlich von der Insolvenz. Auf ihre Anfrage bei Spilger hieß es: „Um die Ware zu bekommen, müsste man nochmal einen Aufschlag von 50 Prozent zahlen oder der Auftrag wird storniert und die Hälfte der Anzahlung wäre weg.“ Damit ist sie nicht alleine: „Es gibt Fälle von Leuten, die ein Kind erwarteten und Einrichtung gekauft haben, alte Menschen, die sich ein behinderten gerechtes Schlafzimmer einrichten wollten, teilweise sind das Beträge von bis zu 30.000 Euro.“ Oft soll der Mönchbergerin von verschobenen Lieferterminen berichtet worden sein. „Die Lieferungen sind dadurch in die Insolvenz gefallen und die Menschen müssen die Aufschläge bezahlen.“ Was Isabell Mollner besonders aufregt, war der verkaufsoffene Sonntag bei Spilger am 14. Mai. „Da wurden die Kunden noch mit Rabatten angelockt.“ Am 12. August plant eine Gruppe von Betroffenen eine Demonstration. „Es gibt unzählige Leute, die dem völlig ausgeliefert sind.“ Eine von ihnen ist Familie S.: „Wir haben im Februar eine Küche für 20.000 Euro gekauft, dazu leisteten wir eine Anzahlung von 50 Prozent. Nach einigen Verzögerungen hieß es dann, es würde sich noch ein paar Wochen wegen der Montage verzögern. Wir haben allerdings vom Verkäufer und Hersteller erfahren, dass die Ware schon seit 26. Mai, also vor der Insolvenz, bei der Firma Spilger war. Wir haben angeboten den ursprünglich ausgemachten Preis zu bezahlen, die Küche selbst abzuholen und selbst aufzubauen. Darauf ist Spilger nicht eingegangen.“ Bernd Spachmann hatte schon seit Längerem eine dunkle Vorahnung. „Im Oktober 2022 habe ich zwei Bürostühle bestellt. Die kamen im Januar an, ich musste die Bestellung allerdings reklamieren, weil auf der Verpackung etwas anderes stand, als ich bestellt habe.“ Damals musste der Goldbacher sich selbst mit dem Hersteller in Verbindung setzten. „Welcher Händler gibt seine Hersteller Preis?“ Nach dem dort eine Einigung erzielt worden sein soll, habe Bernd Spachmann monatelang auf sein Geld gewartet und sei immer wieder vertröstet werden. „Man hat mich mehrmals belogen. Wo mein Geld ist, weiß ich bis heute nicht.“ Viele Einzelfälle, die aber schwer ins Gewicht fallen. Die Geschädigten fordern mehr Transparenz und Offenheit des Unternehmens. Die Firma Spilger ist währenddessen eifrig dabei, sich zu sanieren. Gerüchte kursieren von einer Übernahme des Sparmaxx-Möbelhauses in Großwallstadt durch die Firma Mainmetall. Aber wie geht es nun wirklich weiter? In PrimaSonntag geht Firmen-Chef Bernd Spilger jetzt in die Offensive:
„Dem neuen Investor eine Chance geben!“
Herr Spilger, erklären Sie bitte zunächst, was in Ihrem Fall ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung bedeutet?
„Ich musste zunächst die Eigenverwaltung beim Amtsgericht Aschaffenburg anmelden. Der zuständige Richter prüft das Konzept der Nachfolgestrategie ziemlich genau und dann wird entschieden, ob man dem Unternehmen eine Chance geben kann, wieder aufzustehen. Unserem Möbelstandort wurde diese Zukunft gegeben, ich darf dabei mitwirken, aber wir haben natürlich einen juristischen Sachwalter im Hintergrund, der kontrolliert und begleitet uns. Man hat in dem Sinne keine Entscheidungskraft, die wird vom Gläubigerausschuss und diesem Sachwalter getroffen. “
Wie lange ist das Unternehmen davon betroffen, wie könnte das Verfahren enden?
„Es sind mittlerweile zwei Monate in diesem ersten vorläufigen Verfahren. Ich habe mich wirklich beraten lassen, wann der richtige Zeitpunkt ist, in so ein Insolvenzverfahren zu gehen. Den wirklich richtigen gibt es natürlich nicht und leider trifft es genau zu diesem Zeitpunkt Menschen und Unternehmen, die in dieser Kante unternehmerischen Kontakt mit uns hatten. Aber wir mussten auch aufpassen, dass wir nicht in die Insolvenzverschleppung kamen. Ich hätte das alles noch etwas schieben können, aber ich wollte gewährleisten, dass die Gehälter im Mai komplett allen Mitarbeitern noch von uns selbst gezahlt werden konnten. Ab 1. September können wir ins offizielle Verfahren einsteigen. Es wird ein Käufer und Investor gesucht - wenn keiner da wäre, müsste man das Unternehmen schließen. Aber wir sind jetzt schon in guten Gesprächen - wir haben absehbar einen Investor.“
Wann ist mit weiteren Entscheidungen zu rechnen?
„Wir suchen alle zusammen eine langfristige Zukunftslösung für Großwallstadt und Obernburg, weil wir in der Region weiter einen attraktiven und qualitativ guten Möbelhändler brauchen. Wir haben ein Bieterverfahren aufgemacht, da sind mehrere Interessenten dabei. Mit allen haben wir parallel gesprochen und kommende Woche gibt es bindende und verbindliche Angebote. In ein bis zwei Wochen wird vom Gläubigerausschuss eine Entscheidung getroffen.“
Wie stehen Sie zu den zahlreichen Vorwürfen Ihrer Kunden?
„Ich stelle mich diesen Vorwürfen. Diese Kunden und Firmen, Lieferanten, Handwerker, die genau da reingefallen sind, trifft es hart. Ab dem Zeitpunkt, wo es für mich wissentlich war und ich mit den Juristen die Insolvenz entschieden habe, wurden alle Anzahlungen, die in der alten Spilger-Welt getätigt wurden, leider genullt. Dieser Schaden muss bei der Gläubigertabelle angemeldet werden. Alles, was wir abwenden konnten, haben wir getan. Ich bin den Empfehlungen der Juristen gefolgt, da ich ja darin kein Experte bin.“
Falls die Sanierung erfolgreich sein sollte, wie wollen Sie dem angeknacksten Ruf und das Vertrauen wieder herstellen?
„Das ist natürlich eine schwierige Frage. Ich habe mit sehr vielen verärgerten Kunden gesprochen. Es gab aber auch viele, die es anschließend verstanden haben. Vom Akzeptieren kann man schwer sprechen. In so einer Größenordnung trifft keiner auf der Welt so eine Entscheidung absichtlich und gerne. Das ist ja keine kleine Privatinsolvenz. Wir sind nicht nur mit den Mitarbeitern stark privat vernetzt, sondern auch mit unseren vielen Kunden. Da hat keiner Lust drauf. Ich kann mich nur bei allen entschuldigen, auch im Namen der Mitarbeiter und des Hauses. Es kommt jetzt auf die Zukunftslösung an und das wird unheimlich spannend. Der neue Investor wird sich um das Vertrauen bemühen. Meine Rolle kann nur darin liegen, dass ich eine saubere Abwicklung für die Geschädigten und die Mitarbeiter hinbekomme. Das ist mein größter Wunsch. Es wird immer ein attraktiver Möbelstandort bleiben und ich möchte dafür werben, dem neuen Investor eine Chance zu geben.“