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Wir sind stolz auf unsere klugen Köpfe!

16.06.2024, 06:00 Uhr in PrimaSonntag
KW23 Erfinder Giga Press 2
Fiorenci Dioni und Richard Oberle vor der Giga Press/Foto: Europäisches Patentamt

BAYER. UNTERMAIN (he).Der Untermain bringt schlaue Köpfe hervor: Ob Desch, Dessauer oder jetzt aktuell nominiert für den renommierten Europäischen Erfinderpreis: Richard Oberle. Seine Erfindung hat große Auswirkungen auf die Produktion von Aluminiumteilen und sorgt für eine Revolution in der Automobilindustrie.

„Diese Erfindung sorgt dafür, dass Probleme, die viele Jahre bestanden und immer größer wurden, endlich gelöst werden“, so Richard Oberle über die sogenannte „Giga Press“ - die weltweit größte Aluminium-Druckguss-Maschine. Die hat der Elsenfelder Ingenieur zusammen mit seinem italienischen Kollegen Fiorenci Dioni erfunden. „Durch die Giga Press wird die Qualität gegossener Teile besser. Zudem wird weniger Energie verbraucht und Maschinen fallen nicht mehr regelmäßig aus, weil ein Teil kaputt ist“, erklärt Oberle. Die Entwicklung hin zu schnelleren Maschinen und kostengünstigeren Teilen hat großen Druck erzeugt und zu Qualitätsproblemen geführt. Die Giga Press ermöglicht es, Montagezeiten erheblich zu verkürzen und Produktionsprozesse effizienter zu gestalten. Die Maschine wird bereits vom US-Konzern Tesla in Amerika und am Standort Berlin-Brandenburg eingesetzt. Die Idee dazu kam dem Erfinder auf einem Liegestuhl in Sardinien. „Die Notwendigkeit habe ich aber schon 1974 erkannt, als ich zum italienischen Automobilzulieferer „Idra“ ging. „Da wurde ich erstmalig mit Qualitätsproblemen und Maschinenverfügbarkeit konfrontiert.“ Eine Lösung fand er damals noch nicht, doch 2016 kehrte er mit der Aufgabe zurück, unbedingt eine Lösung zu finden - und das hat er geschafft.

Unter den letzten drei
Der heute 85-Jährige beschreibt sich selbst als sehr präzisen Menschen. „Liegt wahrscheinlich auch an meiner fränkischen Herkunft“, schmunzelt der Daniel Düsentrieb vom Untermain. Die ersten 15 Jahre seines Berufslebens arbeitete Oberle in Obernburg und Aschaffenburg. „Es waren schwierige Jahre. Um Geld zu verdienen, habe ich Tanzmusik in einer Big Band gespielt.“ Die Kontakte von damals sind bis heute geblieben und ein Teil seiner Familie lebt noch immer hier. „Das ist für mich in all den Jahren die Grundlage gewesen. Ich weiß, wenn ich hochkomme, wo ich meinen Koffer hinstellen muss.“ Oberle selbst könnte bald für sein Lebenswerk gekrönt werden. Anfang Juli wird der europäische Erfinderpreis in Malta verliehen. Der Elsenfelder Erfinder und sein italienischer Kollege befinden sich in der Runde der letzten drei in der Kategorie „Industrie“ - und das von insgesamt 550 Nominierten aus 75 Ländern. „Ich dachte erstmal, es wäre ein Scherz. So ein Erfolg - das konnte man sich nicht vorstellen. Ich war fest von der Erfindung überzeugt, aber dass das letztendlich dabei rauskommt, ist eine riesen Überraschung und erfüllt mich mit großer Freude.“ Aufgeregt ist Oberle vor der Preisverleihung nicht, er freut sich eher auf die Tage auf Malta, für ihn wäre auch der dritte Platz schon ein großer Erfolg. Für Nachwuchsingenieure und Erfinder hat er noch folgenden Rat: „Man muss die Übersicht behalten und darf sich nicht zufrieden geben. Neugierig sein und auch über das Eigentliche hinausgucken.“ Richard Oberle ist aber natürlich nicht der erste erfolgreiche Erfinder vom Untermain. Die Region hat eine lange Tradition der Innovation und Erfindung - aber auch eine blühende Zukunft vor sich...

Kluge Köpfe in der Untermain-Historie

Schon im 19. Jahrhundert legten Pioniere wie Johann Desch den Grundstein für bedeutende Entwicklungen. Desch, der als junger Schneidergeselle Uniformen für das Militär fertigte, erkannte die Möglichkeit, durch Standardmaße und vorgefertigte Teile den Fertigungsprozess zu beschleunigen. Diese Technik revolutionierte die Textilindustrie und machte Aschaffenburg zu einem Zentrum der Bekleidungsindustrie. Auch andere Erfinder aus der Region haben wichtige Beiträge für künftige Generationen geleistet. Friedrich Dessauer, ein bedeutender Physiker und Radiologe, und Hugo Güldner, ein Pionier des Motorenbaus, sind nur einige der Namen, die für den Erfindergeist am Untermain stehen. Einer der bekanntesten dürfte Alois Alzheimer sein. Als er als 10-Jähriger nach Aschaffenburg kam, konnte wohl keiner ahnen, dass sie einen später weltberühmten Mann als neuen Bürger aufgenommen hatten. Der Arzt erforschte und entdeckte eine Krankheit, die alleine in Deutschland über eine Million Menschen heimsucht: die Alzheimer-Krankheit. Schon als kleiner Junge war Alzheimer sehr an Naturwissenschaften interessiert. Ungewöhnlich, denn alle in seiner Familie waren Juristen und Lehrer. Alzheimer fiel durch seine Späße und seine ‚wilde’ Jugend mit Alkohol und Fechten auf“, berichtet Stadtrat Lothar Blatt über die Schulzeit des späteren Arztes. Nach neun Jahren Gymnasium - einmal sitzengeblieben, später aber eine Klasse übersprungen - bekam er im Juli 1881 sein Abiturzeugnis in der Jesuitenkirche überreicht. „Viele wissen gar nicht, welch berühmten Sohn die Stadt hat“, so Blatt. 2012 benannte Aschaffenburg eine Straße nach dem Arzt. Die Alois-Alzheimer-Allee führt zum Klinikum.


Fotos: Stadt- u. Stiftsarchiv

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Alois Alzheimer
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Johann Desch
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Friedrich Dessauer

Die nächste Generation

Auch die Zukunft der Erfinder am Untermain sieht vielversprechend aus. Junge Talente wie Tim Arnold aus Haibach und Felix von Ludowig aus Hösbach haben bereits bei den Europameisterschaften in Brüssel beeindruckt. Ihre Drohnen-App, die bei der Suche nach Vermissten und zur Rettung von Rehkitzen eingesetzt werden kann, hat ihnen eine Teilnahme an der MINT-WM in den USA eingebracht. Kaum minder erfolgreich war ein weiteres herausragendes Projekt von Hanna und Lena Fries und Hannah Amrhein aus Dammbach. Im Bereich Chemie fanden sie einen neuen Ansatz, um Phosphor aus Abwasser zu recyceln. Erst vor kurzem berichtete PrimaSonntag über Elisabeth Fischermann und Tom Kreßbach vom Julius-Echter-Gymnasium in Elsenfeld. Sie haben eine Blaulicht-Reaktion entwickelt, um die Menge an Antioxidantien in Lebensmitteln zu bestimmen. Die Geschichte der Erfinder am Untermain zeigt, dass die Region ein Nährboden für Innovation und Fortschritt ist. Von den Pionieren des 19. Jahrhunderts bis hin zu den modernen Erfindern und Jungtalenten von heute: Der Erfindergeist lebt und gedeiht weiter. Richard Oberle und die jungen Erfinder sind Beispiele für den unermüdlichen Einsatz und die Kreativität, die unsere Region prägen.