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„Wir sind kein Spa für Frauen und Kinder“

09.04.2023, 06:30 Uhr in PrimaSonntag
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BAYER. UNTERMAIN (hw). Wenn die eigenen vier Wände - der Ort, an dem man sich am sichersten fühlen sollte - zur Hölle auf Erden werden, sind sie meist der letzte Ausweg. Denn nicht immer wird die Polizei bei häuslicher Gewalt um Hilfe gebeten, es sind die Frauenhäuser, die deutschlandweit gerade in der Pandemie-Zeit aus allen Nähten platzten. PrimaSonntag traf die Leiterin des Aschaffenburger AWO-Hauses und eine ehemalige Bewohnerin.

„Zu uns kommen Frauen jeden Alters und jeder Herkunft. Viele von ihnen sind verunsichert und nervös, wenn sie zum ersten Mal bei uns eintreffen. Sie haben oft Todesangst.“ Tanja Draudt ist Sozialarbeiterin bei der AWO und leitet das Aschaffenburger Frauenhaus. „Wir kümmern uns darum, dass die Frauen, die zu uns kommen, in ihrem neuen Leben ankommen können und dass wir ihnen eine Zukunft aufzeigen. Sie sollen bei uns Kraft tanken für ihr weiteres Leben.“ Das Haus ist ein Schutzraum und deshalb auch anonym. Nur die Bewohner und Sozialarbeiter wissen, wo es steht. Anders als bei der Polizei müssen Frauen, die sich von häuslicher Gewalt bedroht fühlen, bei den Frauenhäusern nicht nachweisen, dass eine Gefahr besteht. Es reicht das Empfinden der Gewalt aus.

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Tanja Draudt leitet das A`burger Frauenhaus

Ohne Wohnung keine Zukunft
Auf die Nachfrage, wie viele Frauen pro Monat geholfen werden können, muss Tanja Draudt schmunzeln. „Wir haben das große Platzproblem. Theoretisch können 11 Frauen und 11 Kinder in unserem Haus leben. Wenn weitere Anfragen kommen - und die kommen - dann müssen wir weitervermitteln." Um Frauen einen sicheren und guten Start in ihr neues Leben zu gewährleisten, brauchen die Familien auch bezahlbareren Wohnraum und der ist einfach knapp; auch hier am Bayerischen Untermain.“ Um mehr Frauen helfen zu können, müssen andere Familien ausziehen. Im letzten Jahr fragten 190 Frauen und Familien die Hilfe und den Schutz des Aschaffenburger Frauenhauses an. 113 davon konnte kein Schutzplatz in Aschaffenburg angeboten werden. „Aber eigentlich ist es so, dass man nach einem Anruf innerhalb von einer Stunde einen Platz in einem Frauenhaus in Deutschland bekommt“, so Draudt. „Es gibt sogar Schutzhäuser für Männer, die sind zwar nicht so oft Opfer von Gewalt, brauchen aber auch Schutz, wenn sie betroffen sind. Wir lassen keinen alleine.“

Für jedes Problem eine Lösung
So fand auch Anna* mit ihren drei Kindern vor fast zwei Jahren Zuflucht im Aschaffenburger Frauenhaus. „Das Jugendamt hat mich auf die Idee mit dem Frauenhaus gebracht. Ich hatte viele Probleme mit meinem Ex-Mann. Ich habe aber lange nicht geglaubt, dass ein Frauenhaus die beste Lösung für mich ist“, erinnert sich die junge Frau und jetzt Aschaffenburgerin. „Ich wollte nicht mit vielen Frauen zusammenleben, das schien mir irgendwie merkwürdig und falsch.“ Doch letztlich wohnte sie eineinhalb Jahre mit ihren Kindern im Frauenhaus und schöpfte dort neue Kraft. „Ich habe viel Hilfe bekommen und gemerkt, dass man vieles schaffen kann, wovon ich nie gedacht habe, dass es möglich ist. Im Frauenhaus gibt es für jedes Problem eine Lösung, das kannte ich vorher nicht.“ Aber nicht nur die Frauen und Mütter finden einen Ort zum Aufatmen, auch den Kindern wird geholfen. Zwei Sozialarbeiter sind nur für die Kinder zuständig. „Das war sehr wichtig. Vorher hatten meine Kinder keinen Kontakt zu anderen in ihrem Alter. Kein Kindergarten, keine Schule, keine Freizeit. Im Frauenhaus haben sie mit anderen Kindern gespielt, sind rumgerannt, gehen in die Schule und den Kindergarten. Seit wir dann auch noch eine Wohnung gefunden haben, ist es einfach nur gut.“ Dadurch, dass sie ihre Kinder allein erziehen musste hatte, sie keine Zeit für eine Ausbildung oder einen Job. Das will Anna* jetzt ändern „Ich will Kinderkrankenschwester werden. Oder Friseurin“, strahlt sie. „Anna* ist wirklich aus sich rausgekommen. Als sie am Anfang zu uns gekommen ist, war sie ganz schüchtern und zurückhaltend und hat alles gemacht, was man ihr gesagt hat. Sie war sehr ängstlich. Jetzt sagt sie auch oft ‚Nein‘ und bestimmt ihren eigenen Weg, das ist gut so“, erzählt Tanja Draudt stolz über ihren ehemaligen Schützling.

Kontakt zu Sozialarbeitern bleibt
Auf die Frage, was Tanja Draudt an ihrem Beruf liebt, hat sie eine schnelle Antwort: „Wenn die Frauen zu uns kommen, sind sie nervös, haben Angst, sind verunsichert. Wenn wir sie am Morgen nach ihrer Ankunft fragen, wie sie geschlafen haben, sagen sie immer ‚Ich habe seit Jahren endlich wieder durchgeschlafen‘ und das beschreibt es sehr gut. Jede Stunde, die eine Frau bei uns ist, hilft ihr, sich zu entspannen.“ Auch wenn das alles sehr angenehm klingt, Tanja Draudt ist eine Sache sehr wichtig: „Wir sind kein Erholungs-Spa für Frauen und Kinder. Wir sind ein Ort für Schutzsuchende, die Traumatisches erlebt haben.“ Nachdem eine Familie aus dem Frauenhaus auszieht, geht sie den Weg aber nicht alleine. Die Sozialarbeiter der AWO stehen auch weiter mit Rat und Tat zur Seite. „Es tut gut, Hilfe zu bekommen. Auch jetzt noch, wenn ich ein Problem habe, rufe ich Frau Draudt an“, lacht Anna*. „Ich kann es wirklich nur jeder Frau empfehlen, wenn sie Probleme hat oder Angst hat vor ihrem Mann, dann in ein Frauenhaus zu gehen. Es ist so wichtig, nach Hilfe zu fragen.“

*Name von der Redaktion geändert