"Wir sind keine Maschinen!"
BAYER. UNTERMAIN (jm). „Wir brauchen Fachkräfte aus dem Ausland“ , fordert Martin Johannsmann, Regionalleiter der unterfränkischen Metall- und Elektroarbeitgeber, als Reaktion auf die aktuelle Konjunkturumfrage. Viele Betriebe hätten zwar genug Aufträge, aber es fehle an den Fachkräften. Hasan G.* (27) hat eine Ausbildung und Berufserfahrung, eine Anstellung bekommt er trotzdem nicht. Wie passt das zusammen mit dem viel diskutierten Fachkräftemangel? PrimaSonntag hat mit dem Betroffenen und Betrieben aus der Region gesprochen.
*Name von der Redaktion geändert
„Wir haben aktuell keine vakante oder passende Stelle für Sie, aufgrund der wirtschaftlichen Lage stellen wir niemanden ein, wir haben keinen Bedarf.“ Das sind alles Absagen, die Hasan G. aus Bessenbach in den letzten Jahren zu hören bekam. Der 27-Jährige hat eine Ausbildung zum Metallbauer, Fachrichtung Konstruktionstechnik, bei einer Schlosserei im Kreis Aschaffenburg absolviert, bei der er auch übernommen wurde. Danach war er als Leiharbeiter jeweils zwei Jahre bei verschiedenen Unternehmen tätig. Darüber hinaus verfügt der Bessenbacher über einen Schweißerschein im MAG-Verfahren. Trotz all dieser Qualifikationen ist er seit Dezember als arbeitssuchend gemeldet. „Theoretisch bin ich schon seit meiner Gesellenprüfung vor sechs Jahren auf der Suche nach einer Festanstellung“, berichtet Hasan. Mittlerweile laufe besonders in der Metallindustrie die Personalbeschaffung zu 90 Prozent über Personaldienstleister. „Schaut man auf die Unternehmenswebseiten sind keine Stellen ausgeschrieben, auf Initiativbewerbungen wird nicht reagiert.“
Belastender Teufelskreis
Seiner Meinung nach
suchen viele Unternehmen heutzutage nicht nach Fachkräften, sondern nach
billigen Arbeitskräften. „Sie wollen die Arbeit erledigen lassen, ohne
die Fachkräfte sozial abzusichern“, klagt der 27-Jährige. „Bis alles von
Maschinen und Robotern übernommen wird, werden die Menschen wie
Maschinen betrachtet und eingesetzt.“ Für den Bessenbacher ist die
Situation mit seiner jahrelangen Ausbildung natürlich frustrierend und
deprimierend. „Man lebt in einer Region mit unzähligen großen
Industriebetrieben, keins davon macht einem die Tür auf. Vorhandene
Fachkräfte werden nicht wertgeschätzt“, ärgert sich Hasan. „Dann liest
man von Fachkräftemangel und Bedarf an Arbeitern aus dem Ausland.“ Ihn
belastet es, dass er trotz Ausbildung und Berufserfahrung keine Aussicht
auf eine Festanstellung und Planungssicherheit hat. Für ihn gibt es nur
zwei Möglichkeiten: Entweder über eine Zeitarbeitsfirma „ausbeuten
lassen“. Dabei macht er 100 Prozent dieselbe Arbeit wie ein
Festangestellter, verdient aber nur einen Bruchteil des Gehalts und muss
ständig mit dem Bewusstsein leben, dass die Beschäftigung befristet ist
und man dazu auch kurzfristig gekündigt werden kann. Oder bei der
Bundesagentur für Arbeit arbeitssuchend melden, die ihn dann wiederum
„zwingt“, eine Tätigkeit über Personalvermittlung aufzunehmen. „Dieser
Teufelskreis macht einen verrückt!“
Höheren Stellenwert
für Fachpersonal
Heiko Hoier, von Hoier
Heizung-Lüftung-Sanitär aus Mömbris, kann es sich derzeit kaum
vorstellen, dass ausgebildete Fachkräfte aktuell keine Stelle finden:
„Das ist pauschal schwierig zu sagen, ohne den Einzelfall zu kennen.
Natürlich müssen aber Stellenangebote und Vorstellungen, sowie
Qualifizierungen der Stellensuchenden zusammenpassen. Eventuell spielt
auch die derzeit unsichere Zukunftserwartung eine Rolle und einzelne
Firmen sind derzeit zurückhaltend bei Neueinstellungen.“ Seine Firma
konnte den Mitarbeiterstamm in den letzten Jahren ausbauen, doch
aufgrund der sich ständig verändernden Anforderungen werden nach wie vor
Fachkräfte benötigt. „Die derzeit gute Auftragslage und der hohe
Personalbedarf in vielen Betrieben im Bereich Wärmeerzeugung und
regenerative Energie trägt zu der schwierigen Situation bei.“
Grundsätzlich sieht er es aber als große Herausforderung an, „gut
ausgebildetes Fachpersonal zu finden und an sich zu binden.“ Für ihn sollten Handwerksberufe in der Gesellschaft einen höheren Stellenwert haben.
„Handwerk darf nicht aussterben“
Genauso sieht es Bäckermeister Nick Braunwarth aus Obernburg. Er rettete zuletzt eine Bäckerei im hessischen Lützelbach-Seckmauern, die zu schließen drohte. „Handwerk, das darf nicht aussterben. Handwerk ist wichtig. Gesunde und gute Nahrungsmittel sind für die Bevölkerung notwendig und wir versorgen die Menschen damit.“ In den letzten Jahrzehnten ist die Nachfrage nach Ausbildungsplätzen immer weiter geschrumpft. Junge Menschen wollen sich im wahrsten Sinne des Wortes nicht mehr die Hände schmutzig machen. Das Handwerk wurde schlecht geredet. Schlechte Arbeitszeiten, schlechte Löhne - das war der Tenor. „Wer eine Ausbildung macht, ist nicht intelligent genug, um zu studieren. Das hört man immer. Dabei stimmt das gar nicht. Als Bäckermeister muss man sich selbst organisieren, seinen Alltag bewältigen und Probleme lösen. Dafür muss man sehr gescheit sein.“
Wertschätzung
und Anerkennung
„Ich möchte mit meiner Ausbildung für die Unternehmen etwas wert sein und nicht zusehen, wie über Fachkräftemangel berichtet wird, während man den Fachkräften aus der Region die Türen zuhält“, erklärt Dennis. „Ich möchte keine unzähligen Bewerbungen rausschicken, auf die ich nur negative Rückmeldung erhalte.“ Der Bessenbacher wünscht sich vor allem eins: Wertschätzung und Anerkennung! Sein Traum wäre natürlich, zeitnah einen langfristig gesicherten und festen Job mit fairer Bezahlung zu ergattern. Momentan blickt er allerdings in eine ungewisse Zukunft.
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