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„Wenn die Sturzflut kommt, geht‘s um Minuten…“

22.09.2024, 06:00 Uhr in PrimaSonntag
Titel Hochwasser

BAYER. UNTERMAIN (acm). Die Entwicklungen in unseren Nachbarländern sind dramatisch: Fluten überschwemmen das Land, Tausende verlieren ihr Hab und Gut, Menschen werden tot geborgen. Bei uns am Bayerischen Untermain wecken solche Hochwasserereignisse alte Erinnerungen. Umso wichtiger, dass unsere Städte und Gemeinden aufrüsten, um solche Katastrophen in Zukunft zu verhindern.

Immer wieder taucht das Wort „Starkregenschutz“ auf den Tagesordnungen bei Stadt- und Gemeinderatssitzungen auf. Gerade für den Markt Mömbris spielt das eine große Rolle. Denn entlang der Kahl kann es immer wieder schnell zu Überflutungen kommen. Seit 2021 ist Jennifer Caris die Katastrophenschutzbeauftragte in Mömbris. Schon bevor sie die Marktgemeinde überhaupt kennengelernt hatte, war ihr klar, dass der Kahlgrund bereits öfter mit Sturzfluten zu tun hatte. „Als ich mich aufs Vorstellungsgespräch vorbereitet habe, habe ich tatsächlich über Mömbris fast nichts anderes gefunden als Wasser“, erzählt sie. Der Kahlgrund hat häufiger mit Sturzfluten zu tun, als mit Hochwasser. „Wir haben in Mömbris zum Glück sehr lange kein Hochwasser mehr gehabt. Das letzte hier war 1981.“ Die Katastrophe 2017 war eine Sturzflut - ähnlich wie im Ahrtal, erklärt Caris. „Wenn solch ein Starkregenereignis kommt, habe ich manchmal keine fünf Minuten Zeit. Das macht es extrem schwierig.“

KW38 Hochwasser 1
Jennifer Caris, Katastrophenschutzbeauftragte in Mömbris
KW38 Hochwasser 2
Die Sturzflut in Mömbris-Dörnsteinbach 2017

„Politische Unterstützung fehlt“
Dennoch sei man in Mömbris gut auf solche Situationen vorbereitet: Die bisherigen Konzepte werden überarbeitet, die Feuerwehren haben aufgerüstet, in Dörnsteinbach wird ein Retentionsbecken errichtet und Bürger können beim Markt Sandsäcke bestellen. Auch in Leidersbach beschäftigt man sich intensiv mit dem Thema - bereits 2011 und 2013 kämpfte man hier gegen die Wassermassen. „Wir sind heute besser vorbereitet als früher“, sagt Bürgermeister Michael Schüßler. Aber: Es muss auch noch einiges getan werden. Zum Beispiel will die Gemeinde noch neun Dämme bauen - und das kostet knapp 15 Millionen Euro. „Mir fehlt die Unterstützung der Landes- und Bundespolitik. Wir stehen vor einer riesengroßen Herausforderung und der Freistaat Bayern vernachlässigt diese Aufgabe schon seit Jahrzehnten!“, beschwert sich Schüßler. Er wünscht sich von der Regierung eine Sturzflutkonzept-Förderung, die auch für die Spessartgemeinden umsetzbar ist: „Man muss in München einfach mal aufwachen und die Realitäten erkennen, die jenseits der Donau sind!“

Hochwassergebiete am Bayerischen Untermain
Hochwasser in Leidersbach 2013 Foto: Feuerwehr Leidersbach

Hilfe für Polen
Die Angst vor Hochwasser wächst, wenn wir uns die aktuellen Entwicklungen in Österreich, Tschechien, Polen und Co. anschauen. Familie Michalczenia aus Großostheim hat Verwandtschaft in Polen - und dort ist gerade wortwörtlich Land unter. „Die Lage ist schlecht. Die Feuerwehren sind überlastet und kommen nicht durch, bis heute war immer noch niemand da“, sagt Irena Zolnierzak zu PrimaSonntag. Sie hat ein Haus im Örtchen Pieszyce. Viele Menschen sind gerade notdürftig untergebracht und haben immer noch keine Aussichten, wieder nach Hause zu kommen. „Alles muss renoviert werden - die Wände sind nass, wir haben keinen Strom und auch kein Wasser“, sagt Zolnierzak. Verschiedene private Personen und Familien der Anwohner sammeln Spenden für die Betroffenen. Im Internet gibt es zahlreiche Möglichkeiten zu helfen. Auch beim THW Obernburg ist man jederzeit bereit, in Bresche zu springen: „Bisher haben wir noch keine Anforderung bekommen. Die THW-Leitung beobachtet die Lage intensiv und wenn eine Anfrage von den Nachbarländern kommt, sind wir bereit.“

Polen Hochwasser
Aktuelle Bilder aus Pieszyce.

Wie schützen?
Droht Gefahr durch Unwetter, Sturzfluten oder steigende Bäche, helfen auch die Landkreise. „Der Kreis Miltenberg hält ca. 100.000 Sandsäcke vor und hat eine mobile Sandsackabfüllanlage beim THW in Obernburg stationiert“, sagt Pressesprecherin Susanne Seidel. „Zusammenfassend kann gesagt werden, dass der Landkreis Miltenberg nicht nur mit Material sehr gut ausgestattet ist, sondern sich auf stets auf die Dienstleistenden der Feuerwehren im Landkreis Miltenberg verlassen kann.“ Eigentlich sind die Landkreise nicht vorrangig für den Hochwasserschutz in einzelnen Kommunen zuständig - laut Susanne Seidel scheut der Kreis aber auch weder Kosten noch Mühen, um die Gemeinden dabei zu unterstützen. Ähnlich sieht es auch im Kreis Aschaffenburg aus: „In regelmäßigen Übungen bereitet sich das Landratsamt mit seiner ‚Führungsgruppe Katastrophenschutz‘ auf diverse Katastrophenfälle vor“, sagt uns Pressesprecher Sven Simon. Gerade weil man Naturkatastrophen nie genau voraussagen kann, reevaluiere der Landkreis seine eigenen Vorbereitungen immer wieder neu, „um alles zum Schutz der Bevölkerung unternommen zu haben“, heißt es von Simon. Katastrophenschutzbeauftragte Caris gibt noch drei goldene Tipps für Anwohner an Bächen, um sich gut gegen Sturzfluten zu schützen: „Es gibt Rückschlagklappen im Haus. Die sind eigentlich vorgeschrieben, aber viele Leute haben die noch nicht. Da kann es sein, dass das Wasser ins Haus reindrückt. Und das ist fatal.“ Außerdem wichtig: Keine Dekorationen an kleine Neben-Bäche legen, wie etwa Bretter, Steine oder ähnliches. Und wenn das Wasser da ist, helfen Sandsäcke.