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Wenn jeder Bissen zur Qual wird

12.05.2024, 06:00 Uhr in PrimaSonntag
KW19 Achalasie 7

ERLENBACH (ml/mg). Justin Niendorf aus Erlenbach lebt mit einer Krankheit, die es ihm fast unmöglich macht, einen geregelten Alltag zu bewältigen. Der 23-Jährige leidet an Achalasie, einer seltenen Beweglichkeitsstörung der Speiseröhre - Essen ohne Schmerzen ist undenkbar. Eigentlich wäre Justin auf einen Schwerbehindertenausweis angewiesen, aber die bisherigen Versuche blieben alle ohne Erfolg…

Seit fast zwei Jahren leidet Justin an Achalasie. Die Krankheit vereint verschiedene Problematiken der Speiseröhre. „Zum einen ist meine Speiseröhre verengt und zum anderen fehlt die Wellenbewegung der Wände meiner Speiseröhre, die jeder andere Mensch hat“, erzählt Justin, als wir ihn daheim in Erlenbach besuchen. Durch seine Krankheit kann Nahrung nicht mehr ordentlich in den Magen gelangen und er hat unvorhersehbare Krämpfe. „Es fühlt sich dann an wie ein kleiner epileptischer Anfall, nur eben im bewussten Zustand. Bei mir passieren die Krämpfe innerhalb des Körpers. Das zieht sich bis in den Kiefer hoch und ich habe das Gefühl, dass ich ersticke. Die Schmerzen sind kaum auszuhalten.“ Doch es ist nicht das einzige Leid, mit dem der junge Erlenbacher zu kämpfen hat: „Darüber hinaus habe ich eine klaffende Magenklappe. Das bedeutet, sie öffnet und schließt sich nicht. Dadurch bin ich wie eine Wasserflasche. Wenn ich mich vorbeuge, zum Beispiel beim Zähneputzen, kann es sein, dass mein Essen von vor vier Stunden wieder hochkommt.“

Erzwungener
Lebenswandel

Bis zu acht Mal am Tag muss er essen, sodass er die Nahrung überhaupt aufnehmen kann. Dabei ist er vor allem in der Früh auf Flüssignahrung angewiesen. Jeden Morgen muss er sie langsam zu sich nehmen, damit sein Körper sich an die Nahrungsaufnahme gewöhnen kann. Im Verlauf des Tages kann er dann auch feste Mahlzeiten zu sich nehmen. „Auf Fleisch verzichte ich eigentlich komplett. Das ist oft Auslöser für die Schmerzen. Genauso auf Gewürze, bei Salz geht es richtig los.“ Mittlerweile musste Justin auch seinen Job in einem regionalen Möbelhaus aufgeben. „Ich fahre jetzt jeden Morgen nach Frankfurt ins Berufsförderungswerk für eine Umschulung. Ab jetzt kann ich leider nur noch Büroarbeiten verrichten, weil jede zusätzliche Bewegung für mich und meinen Körper drastische Folgen haben könnte“, erzählt die gelernte Fachkraft für Möbel-, Küchen-, Umzugsservice. Auch in seiner Freizeit muss er aufgrund der Krankheit mit Einschränkungen klar kommen: „Ich kann keinen Sport mehr treiben oder nicht mit Freunden essen gehen.“

Komplette Heilung
ausgeschlossen

Im letzten Sommer wurde Justin zum ersten Mal operiert, zwei weitere OPs stehen noch im Raum wenn die erste nichts bringt. Bei jedem Schlucken trainiert er seine Speiseröhre, wodurch die Krankheit minimiert wird - aber eine komplette Heilung gibt es leider nicht. Eigentlich sollte für diese Krankheit ein Schwerbehindertenausweis ausgestellt werden. Aber bisher blieben alle Anträge ohne Erfolg. Der 23-Jährige und seine Eltern hingen in der Vergangenheit unzählige Male in Warteschlangen, werden immer auf spätere Zeiten vertröstet. Medikamente und Therapie kosten die Familie viel Geld, weshalb ihnen ein Schwerbehindertenausweis unheimlich weiterhelfen würde. „Jedes Mal wurde die Krankheit nicht anerkannt. Bei mir wird beurteilt, dass es eine Stenose wäre, was aber nicht der Fall ist.“ Bei einer Stenose wäre die Speiseröhre lediglich verengt, aber bei Justin liegt auch eine funktionelle Störung vor. Trotz der Diagnose wird Justin der Ausweis und damit eingehende steuerliche Hilfe verweigert. Er und seine Familie möchten Aufmerksamkeit erregen, um vielleicht auch Menschen zu helfen, denen es genauso geht. „Wenn jemand Ähnliches erlebt, kann er sich gerne bei uns melden“, sagt Justin abschließend.