Urteil unter den Bäumen

KLINGENBERG (mg). Vor dem einstigen Stadttor zum Main inmitten der Klingenberger Altstadt schlägt eine jahrhundertalte Linde ihre Wurzeln: Die Gerichtslinde. Jahrhundertelang wurden hier Straftäter ihrer gerechten Strafe zugeführt. Während die Verurteilten schon lange nicht mehr unter uns weilen, überdauert der „Richter“ Jahrhunderte…

Über 600 Jahre lang wurden Angelegenheiten in Klingenberg und Umgebung unter den Linden verhandelt. Örtliche Streitigkeiten wie Körperverletzung, Beleidigung oder Verstöße gegen die Stadtverordnung wurden im Freien vor dem damaligen Maintor geregelt. „Das Recht wurde unter freiem Himmel gesprochen - unter Gottes Angesicht sozusagen“, heißt es aus dem Rathaus. Die Schöffen für die Verhandlung wurden von den umliegenden Ortschaften gestellt. Als Richter fungierten der Edelherr von Bickenbach und später der Mainzer Amtmann. Sie gaben das von den Schöffen gefällte Urteil bekannt, zerbrachen einen Stab und warfen ihn unter das Volk. Das Urteil war nun rechtskräftig. Die Menge zog anschließend über dem Armensünderweg zum Galgen auf dem Hohberg, wo der Strafe Buße getan wurde.

Letzte Überlebende
„Um 1500 tagte das Zentgericht, wie auch das Klingenberger Stadtgericht an der ‚Alten Linde‘ vor dem Maintor am ‚Zwölfertisch‘“‘, heißt es in der Chronik der Rotweinstadt. Heute ist von den Gerichtslinden ist nur noch eine übrig. Eine alte Sandsteinplatte erinnert noch an den Gerichtstisch. Vor einigen Jahren wurde darüber diskutiert, die Linde zu ersetzen. Der Förderverein Historisches Klingenberg, vor allem in Form des damaligen Vorsitzenden Helmut Becker, setzte sich aber für die Bewahrung des Kulturgutes ein und sorgte dafür, dass auch noch ein Stück der Klingenberger Geschichte bestand hat.

Fotos: Stadt Klingenberg