Unsere Politiker im Ruhestand
BAYER. UNTERMAIN (mz/jm). Sie haben jahrzehntelang unsere Politik mitbestimmt und mitgestaltet – egal ob in der Kommunalpolitik oder auf Bundesebene in Berlin. Doch mittlerweile haben sie der Politik den Rücken gekehrt. Wie hat sich ihr Leben dadurch verändert? Und: Vermissen sie manchmal ihren alten Beruf? Wir haben mit Ex-Politikern aus der Region gesprochen und wollte wissen, wie sie ihren Ruhestand verbringen.
Christine Scheel (u.a. ehemalige Bundestagsabgeordnete für Bündnis 90/Die Grünen)
Vom Kreistag über den Landtag in den Bundestag! Knapp 18 Jahre lang war Christine Scheel Bundestagsabgeordnete für die Grünen, sieben Jahre davon sogar Vorsitzende des Finanzausschusses. Aus dem großen Politbetrieb hat sich Scheel vor über zehn Jahren verabschiedet. „Der Hauptgrund war klar das Pendeln. Wenn man das über Jahre macht, wird das zu einer echten Kraftanstrengung.“ Die freie Zeit nutzt Scheel zum Reisen, gerne in die Berge zum Skitourengehen. „Ich kann jetzt einfach mal drei, vier Wochen weg und mehr über meine Zeit verfügen.“ Nun ist Zeit, um sich Träume zu erfüllen. „Ich war mit meinem Mann auf dem Kilimandscharo, ein beeindruckendes Erlebnis.“ Ganz ohne Politik geht es aber doch nicht. „Ich verfolge das aktuelle Geschehen sehr intensiv und bin jetzt auch wieder im Kreistag aktiv.“ Warum? „Ich will etwas zurückgeben.“
Erich Schäfer (ehemaliger CSU-Bürgermeister von Mespelbrunn)
Zwölf Jahre lang war Erich Schäfer Bürgermeister von Mespelbrunn – jetzt ist er im wohlverdienten Ruhestand. Die Entscheidung gegen eine dritte Amtszeit, fällte Schäfer sehr spontan. „Am 19. März wurde ich 63 Jahre alt und acht Tage später endete die Wahlperiode. Das war eine spontane Entscheidung, dass ich gesagt habe: Nicht nochmal sechs Jahre.“ Der Übergang von der Politik in den Ruhestand lief problemos. „Ich hatte ja zwei Jahre Zeit, mich darauf vorzubereiten. Es ist nicht so, dass ich aus Versehen auf den Parkplatz der Verwaltungsgemeinschaft fahre.“ Stattdessen verbringt Schäfer seine Zeit u.a. im Stadion am Schönbusch. „Meine beiden Enkel spielen bei Viktoria Aschaffenburg in der Regionalliga. Das ist immer toll, die spielen zu sehen.“
Joachim Bieber (ehemaliger CSU-Bürgermeister von Miltenberg)
24 Jahre lang hatte Joachim Bieber das Sagen in der Stadt Miltenberg. 2014 entschied er selbstbestimmt das Amt niederzulegen. „Das war mir ganz wichtig“, erzählt Bieber. „Lieber sollen die Leute mich vermissen, als dass sie meinen Abschied herbeisehnen.“ Zwei Jahre nach Ende seiner Amtszeit hatte Bieber dann mit großen Herzproblemen zu kämpfen. Ein Moment, der ihm zeigte, dass es richtig war, seine politische Karriere zu beenden. Nach der Herz-OP treibt er nun mehr Sport. Jeden Tag ist Bieber rund 15 Kilometer zu Fuß unterwegs. „Ich genieße die Stadt und komme mit vielen Bürgern in Kontakt.“ Zudem bleibt deutlich mehr Zeit für seine großen Hobbys: Die Schriftenmalerei und das Schreiben von Gedichten. Was ihm an der Politik fehlt? „Mir fehlt überhaupt nichts.“
Rudi Schreck (ehemaliger CSU-Bürgermeister von Röllbach)
So hatte sich Rudi Schreck das Ende seiner Amtszeit als Röllbacher Bürgermeister nicht vorgestellt. Sein Abschied von der politischen Bühne fiel genau in die Anfänge der Corona-Pandemie. 18 Jahre lang war Schreck Bürgermeister in Röllbach, nun ist der Ehrenbürger im Ruhestand. „2014 habe ich ja schon angekündigt, dass das meine letzte Amtszeit wird. Auch die jungen Leute müssen jetzt mal in die Verantwortung kommen.“ Durch die jahrelange Vorbereitung fiel ihm der Übergang von der Politik in den Ruhestand nicht schwer. Trotzdem: „Ich ertappe mich immer wieder, dass man zu irgendeinem Thema was sagen möchte. Dann besinnt man sich aber wieder, dass man selbst nicht mehr in Amt und Würden ist.“ Im Ruhestand begleitet ihn nun die Musik. Seit Jahrzehnten spielt Schreck begeistert Alphorn – Proben und Auftritte inklusive. Auch im Ruhestand.
Klaus Herzog (ehemaliger Oberbürgermeister der Stadt Aschaffenburg)
„Es reicht nicht aus, auf dem Sofa zu sitzen und über sein Leben nachzudenken. Man muss ein Leben lang aktiv bleiben“, erklärt Klaus Herzog. Inspiriert durch Willy Brandt begann der Obernauer, sich schon früh für Politik zu interessieren – von 2000 bis 2020 hatte Herzog schließlich das Amt des Oberbürgermeisters der Stadt Aschaffenburg inne. „Mein Leuchtturmprojekt war der Neubau des Hauptbahnhofs“, erinnert sich der 72-Jährige. Nachdem Herzog die Altersgrenze überschritten hatte, schied er aus seinem Amt aus – nach wie vor ist er aber ehrenamtlich im Stadtrat tätig. „Ich habe mein Leben lang vom Ehrenamt profitiert“, berichtet Herzog. „Aus dieser Sicht war es für mich ein Anliegen, meine Erfahrung und mein Wissen einzubringen. Ich habe nie aufgehört für andere da zu sein.“ Besonders am Herzen liegt ihm nach wie vor die ärztliche Versorgung der Region und der Neubau der Kinderklinik, aber auch die Zukunft der Schüler. „In den nächsten Jahren werden sieben Millionen Menschen in Rente gehen. Wir brauchen eine Bildungsoffensive.“ Das Wichtigste sei allerdings der gute Geist einer Stadt. „Das heißt, dass alle zusammen an einem Strang ziehen. Man hat als ältere Generation auch eine Vorbildfunktion.“
Walter Scharwies (ehemaliger Bürgermeister von Alzenau)
12 Jahre lang prägte Walter Scharwies das Geschehen in Alzenau. 2011 endete dann seine turnusmäßige Amtszeit und der damals 63-Jährige trat den wohlverdienten Ruhestand an. „In meiner Amtszeit hat sich Alzenau gut entwickelt, das wird mir auch heute noch bestätigt“, berichtet Scharwies. „Rückblickend freue ich mich besonders, dass es gelungen ist, die Fraunhofer-Forschung für Wertstoffkreisläufe in Alzenau anzusiedeln.“ In seinem Ruhestand ist ihm bislang nicht langweilig geworden. Dafür sorgen auch einige Ehrenämter. So war er beispielsweise Vorsitzender des Fördervereins Hospiz Alzenau und hat den Förderkreis Landesgartenschau Alzenau 2015 mit gegründet. Aber auch ein ganz besonderes Hobby konnte er intensivieren. „Seit rund 50 Jahren beschäftige ich mich mit der lokalen bzw. regionalen Geschichte. Mittlerweile ist die Zahl der Veröffentlichungen auf rund 200 Exemplare angestiegen.“ Dazu kommen zahlreiche Vorträge. 2021 erschien „Lulu Brentano – Eine ‚curiose‘ Lebensgeschichte erzählt in Briefen“. Das Buch hat mittlerweile schon eine zweite Auflage erfahren. Mit zahlreichen Lesungen war er in verschiedenen Städten im engeren Heimatgebiet, aber auch in Frankfurt, im Rheingau und in Nordhessen unterwegs. Selbstverständlich verfolgt er auch nach wie vor das politische Geschehen in Alzenau, „das jedoch mit gebührendem Abstand.“
Peter Wolf (ehemaliger CSU-Bürgermeister von Stockstadt)
„Endlich Zeit für die Familie und keine vollen Terminkalender mehr.“ Peter Wolf, zwölf Jahre lang Bürgermeister von Stockstadt, genießt seinen Ruhestand. „Ich habe sehr früh entschieden, dass ich nach meiner zweiten Amtszeit mit 63 Jahren das Amt niederlege.“ Und so kam es 2020 auch – inmitten der Corona-Pandemie. „Die Pandemie als Bürgermeister zu managen, das hätte mich schon noch gereizt. Ich mag Herausforderungen.“ Komplett der Politik den Rücken gekehrt, hat Wolf noch nicht, er sitzt aktuell noch im Kreistag. Die neu gewonnene Zeit nutzt Wolf zum Reisen – er war schon in Ecuador, nächstes Jahr soll es nach Kanada gehen. Und auch eine neue Leidenschaft hat er im Ruhestand neu entdeckt – das Tauchen. „Zusammen mit meiner Frau mache ich gerade den Tauchschein, die Theorie haben wir schon gepackt.“