"Unser Ortsbild wird zerstört"
SCHIMBORN (hk). Stellen Sie sich vor, Sie wohnen im idyllischen Kahlgrund, auf dem Land. Sind der Großstadt entflohen, nur um dann zu erfahren, dass einem ein Gebäude mit knapp 50 Metern Länge und einem Dachgiebel, der 15 Meter hoch ist, vor die Nase gebaut wird. Ein Hochhaus mitten im Dorf. Die Anwohner gehen auf die Barrikaden: Das Projekt weiche komplett vom gängigen Ortsbild ab und würde keinen Platz für Grünflächen mehr lassen. PrimaSonntag hat vor Ort mit den Nachbarn gesprochen.
„Ich bin aufs Dorf gezogen, um die Aussicht und die Ruhe zu genießen. Hätte ich gewusst, dass hier so ein riesiges Haus hin gebaut wird, hätte ich mir das anders überlegt“, regt sich Anwohner Sven Grünbauer auf. Die Nachbarschaft habe nur aus den Medien von dem Projekt erfahren. Sie forderten direkt die Baupläne an. Darauf sind aktuell elf Wohneinheiten, eine Bäckerei, ein Spielplatz und eine Garage auf Erdgeschosshöhe geplant, da das Haus an einen Hang gebaut wird. Dann der Schock: Das geplante Projekt soll an der höchsten Stelle fast 15 Meter und an der Traufhöhe circa zehn Meter hoch sein. „Schimborn ist ein kleiner Ort. Dieses Gebäude würde die Ortsmitte total sprengen“, sagt Architektin Ulrike Kolb, die im benachbarten Mömbris tätig ist. Ein normales Wohnhaus ist zwischen drei und sechs Meter hoch. „Das ist eine völlig andere Dimension. Rein städtebaulich ist das für Schimborn eine Katastrophe. Dieser Klotz ist viel zu massiv für die dörflichen Strukturen. Meiner Meinung nach müsste es viel kleiner sein. Dazu auch kein durchgängiger Block, sondern zwei einzelne Gebäude und vor allem müsste es ein Stockwerk weniger sein, damit es in die Umgebung passt.“ Die Bewohner haben fristgerecht Einwand gegen den Bauplan eingereicht und warten jetzt auf Rückmeldung. „Ich wünsche mir vom Bürgermeister und vom Bauausschuss, dass sie die Planung nochmal komplett überarbeiten und auf die dörfliche Struktur in Schimborn Rücksicht nehmen.“
Viele Ängste
Ängste haben die Bewohner viele. Zum einen sind da die Balkone,
die direkt auf die Gärten der Hans-Karl-Straße ausgerichtet sind. „Wir
haben auch ein Schwimmbad, das direkt an das Haus angrenzt. Wir hätten
keinerlei Privatsphäre mehr und würden uns wie auf dem Präsentierteller
fühlen“, erklärt Anwohnerin Carmen Keimig ihre Bedenken. Auch der
geplante Spielplatz stößt bei den Bewohnern auf Ablehnung. „Natürlich
hat man immer Angst, wenn man einen Spielplatz direkt vors Schlafzimmer
gebaut bekommt, dass es laut wird.“ Verunreinigung und Randale sind die
großen Sorgen der Anwohner. Für Unmut sorgt die Tatsache, dass man sich bei
eigenen Umbauten an strenge Vorgaben halten muss. „An die halten
wir uns auch. Wir haben zweimal Pläne eingereicht, die abgelehnt
wurden“, sagt Fatih Arslan. Hauptproblem bleibt aber die gewaltige Höhe.
Befürchtungen, keine Sonne mehr zu bekommen und dass teure Solaranlagen
unbrauchbar werden, bleiben bestehen.
Bürgermeister Wissel gesprächsbereit
Seit einigen Jahren gehört die Baufläche dem Markt Mömbris. Von vorne herein sei klar gewesen, dass sie nicht frei bleiben werden,
entgegnet Mömbris‘ Bürgermeister Felix Wissel. „Uns war es wichtig, dass auch etwas für die Allgemeinheit entsteht. Dass wir wieder einen Bäcker und ein Café als Treffpunkt haben.“ Der Bebauungsplan, der dazu nötig ist, weil die Bauart des Gebäudes von der des restlichen Ortes abweicht, ist gerade in der zweite Runde. Hier sind sowohl die Behörden als auch die Öffentlichkeit dabei. Verkleinert hat man das Projekt bereits, heißt es aus dem Rathaus. „Wir haben aber festgestellt, dass es durchaus immer noch viele kritische Meinungen zum Projekt gibt. Wir nehmen die Kritik ernst. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass wir uns mit den Menschen, die Bedenken haben, zusammensetzen, wenn wir mit den Behörden gesprochen haben. Wir wollen als Gemeinde für die Menschen da sein und nicht irgendwas machen, was sie ärgert.“