Wer soll das bezahlen? Wer hat das bestellt?
BAYER. UNTERMAIN (ml/jm). Ein Beben geht durch die Gastro-Landschaft! Die Mehrwertsteuer soll ab dem nächsten Jahr wieder von sieben auf 19 Prozent ansteigen. Der Steuersatz war während der Pandemie gesenkt worden, um die Betriebe zu entlasten. Jetzt fürchten allerdings zahlreiche Gastronomen um ihre Existenz.
Frank Spieler der Kreisvorsitzende der DEHOGA Aschaffenburg ist selbst Besitzer des Hotel Christel in Heimbuchenthal. Er ist enttäuscht von der Politik, da er nach dem Versprechen von Olaf Scholz zu seinem Amtsantritt davon ausgegangen war, weiterhin mit sieben Prozent planen zu können. Er sieht durch die Inflation und die gestiegenen Löhne auf jeden Fall eine Preiserhöhung von zwei bis drei EURO. „Dabei ist die Gastronomie so wichtig für uns! Ein lachendes Personal zu sehen, während man bedient wird und gut isst, das ist viel zu wichtig. Gerade in diesen Zeiten.“ Laut einer Umfrage der DEHOGA Bayern stehen nach der Aufhebung der Reduzierung knapp 2.000 Betriebe vor dem aus. „Manche meiner Kollegen wollen es sich aufgrund ihres Alters einfach nicht mehr antun, so harte Arbeit für eine so kleine Mage zu verrichten. Stand jetzt, verlieren wir zum Jahresbeginn unzählige Restaurants, Hotels und vor allem Lebensgrundlagen in ganz Bayern.“
„Erosion in der Mittelschicht“
„Ohne die Reduktion wäre bestimmt bei der Hälfte unserer Branche die Lichter ausgegangen“, berichtet Peter Gemeinhardt, Betreiber des 500 Jahre alten „Hotels Wilder Mann“ in Aschaffenburg. Das würde gravierende Folgen für die breite Masse der Restaurants und Hotels haben. „In der Gastronomie werden sich die Preise mit Sicherheit um 20 Prozent erhöhen“, so Gemeinhardt traurig. „Es geht nicht nur um die 12 Prozent der Mehrwertsteuer, sondern auch darum, dass das Gas teurer wird und auch an die Lieferkosten im neuen Jahr mit Maut muss man denken.“ Die Maut wird bereits Anfang Dezember verdoppelt und im neuen Jahr sogar auf alle Fahrzeuge ab der 7,5 Tonnen-Klasse ausgeweitet. Zwar werden auch die Selbstbedienung und die Spitzenküche finanzielle Einbußen beklagen, besonders wird aber die breite Masse der Gastronomie leiden müssen. „Es wird ganz große Erosionen in der Mittelschicht der Restaurants geben. Ab dem neuen Jahr werden wir zwei Ruhetage in der Woche einführen, um Geld einzusparen und eine verkleinerte Speisekarte mit angehobenen Preisen.“ Er würde sich wünschen, die Reduzierung der Mehrwertsteuer noch für zwei Jahre beizubehalten.
Sorgen um die Zukunft
Auch bei der Konditorei „DerSüsseLöwer“ macht man sich große Sorgen um die Zukunft der Gastrobranche. Die Gastronomen, zu denen Florian Löwer, Betreiber der Konditorei, sich selbst auch zählt, mussten in den letzten Jahren trotz reduzierter Mehrwertsteuer immer wieder die Preise erhöhen. „Das lag unter anderem an deutlich höheren Lohnkosten, explodierenden Energiekosten und kontinuierlich steigenden Rohstoffpreisen, insbesondere bei hochwertigen und regionalen Rohstoffen.“ Wenn jetzt auch noch die Mehrwertsteuersenkung aufgehoben wird, sieht er nur drei Möglichkeiten. „Zum einen können wir die Mehrkosten an die Kunden weiter geben – ein Stück Torte im Café würde dann anstatt 5,20 direkt 5,80 Euro kosten.“ Zum anderen könnten die Gastronomen einfach die komplette Differenz von 12 Prozent selbst übernehmen.“ Dieser Puffer sei jedoch weder bei ihm noch bei den meisten anderen Gastronomen drin. „Oder aber sie starten einfach billige Rohstoffe einzukaufen, was für ihn definitiv nicht in Frage kommt. “Die seit 2007 bestehende Konditorei steht seit Beginn für Qualität, Regionalität und Nachhaltigkeit der Produkte.“ Florian Löwer macht sich um die Existenz seiner Konditorei zwar keine Sorgen, jedoch um die Qualität und Vielfalt der gastronomischen Betriebe.
Gemischte Gefühle
Die Aschaffenburger SPD-Landtagsabgeordnete Martina Fehlner sieht den Schritt als ein fatales Signal. „Ich habe für die Entscheidung kein Verständnis. Der Tourismus ist ein wichtiger Wirtschaftszweig in Bayern.“ Unsere Wirtshauskultur sei einzigartig und werde weltweit geschätzt. „Das sind Orte des Zusammenkommens. Es verändert die touristische Infrastruktur zum schlechteren.“ Auch Grünen-Bundestagsabgeordneter Niklas Wagener steht der Maßnahme kritisch gegenüber. „Auf Corona folgten inzwischen neue Krisen: Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, der wiederum die Energiekrise und eine hohe Inflation zur Folge hatte.“ Für Wagener Grund genug, um diese Entlastungsmaßnahme in der Gastronomie fortzusetzen. „Wir Grüne hätten deshalb die rund 3 Mrd. Euro, die die Mehrwertsteuerabsenkung jedes Jahr Bund und Länder kostet, gerne durch eine Anhebung der Kerosinsteuer gegenfinanziert. Letztlich hat sich der Finanzminister dagegen entschieden.“ Allerdings gibt es auch Stimmen, die den Schritt begrüßen. Personen aus der ökonomischen Ecke geben an, dass die Vergünstigung sozial sehr problematisch sei und besonders den Wohlhabenden zugutekommt. Gastronomie-Schaffende geben den Kampf gegen die Erhöhung nicht auf, auch Streiks sind in den kommenden Monaten denkbar. Der letzte Gang ist hier noch nicht serviert…
Das sagen unsere Leser:
Karin Streb aus Aschaffenburg
„Es geht ja nicht anders. Der Staat kann ja nicht alles zahlen für uns. Wir haben zuhause schon beschlossen, dass wir einfach zwei Mal weniger essen gehen und dann haben wir das wieder raus.“
Ursula Freund aus Aschaffenburg
„Ich finde das nicht richtig. Die können das doch alles so lassen, wie es ist, oder? Sonst werden die Kneipen wieder weniger, die Leute gehen nicht mehr raus. Da leidet doch jeder darunter.“
Elke Fleckenstein aus Aschaffenburg
„Die Reduzierung ist wirklich eine Sache, die der breiten Bevölkerung zu Gute kommt. Die Leute wollen essen gehen und da wird ihnen nochmal ein Stück genommen. Die Gastronomie leidet darunter. Das ist die falsche Stelle zum Sparen.“
Karin Sahm aus Aschaffenburg
„Während Corona sind so viele Gaststätten gebeutelt worden und wie ich gehört habe, haben viele der Restaurants die Fördergelder gar nicht bekommen oder abrufen können. Deswegen haben die sowieso noch Defizite und da macht es keinen Sinn und wäre sogar kontraproduktiv."
Thomas Biederer aus Miltenberg
„Ich habe kein Problem damit, wenn der Essenspreis um zwei Euro steigt. Für mich ist der Schritt richtig. Aus meiner Sicht jammert die Gastro auf hohem Niveau.“
Savas Kocagöz Großostheim
„Alle Preise steigen immer höher. Ich mache mir schon Gedanken um das Kulturgut Gastro.“
Achim Wüsthof aus Eschau
„Ich würde es um die Gastwirte bedauern. Deswegen halte ich es für sinnvoller, es so zu belassen."
Florian Schalich aus Aschaffenburg
„Einerseits muss für alle letztendlich das gleiche Recht gelten. Andererseits, komme ich selbst aus der Gastronomie und weiß natürlich, was mit der Erhöhung einhergeht.“