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Schockstarre nach Schlacht-Skandal

23.07.2023, 06:30 Uhr in PrimaSonntag
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ASCHAFFENBURG (jm). Es sind verstörende Details, die jetzt im Fall des Aschaffenburger Schlachthofs öffentlich wurden. Der Betrieb wurde vorübergehend wegen des Verdachts auf Verstöße gegen Tierschutz dicht gemacht. PrimaSonntag hat mit Politik und Bürgern auf der Straße gesprochen. Tragen wir vielleicht eine Mitschuld an diesem Skandal?

Über vier Wochen fertigte die SOKO-Tierschutz geheime Aufnahmen vom Innenleben des Betriebs an. „Der Aschaffenburger Schlachthof ist für uns leider kein Unbekannter“, berichtet SOKO-Tierschutz-Sprecher Friedrich Mülln. „Bereits vor zehn Jahren haben wir dort grauenhafte Szenen dokumentiert. Beispielsweise wurde ein schwer verletztes Schwein mit zig Stromschlägen durch den ganzen Schlachthof geschleift.“ Damals sei nicht viel passiert, jetzt komme die Quittung. „Die neuen Aufnahmen zeigen ein vollkommenes Grauen.“ Tiere sollen regelrecht geschächtet worden sein, also bei Bewusstsein geschlachtet, weil man nicht betäuben konnte oder wollte. Schweine-Augen sollen noch lebenden Tieren ausgerissen worden sein, Folter mit Elektroschockern, bis zu 40 Mal hintereinander. Nach einer Fehlbetäubung soll einem Rind bei lebendigem Leibe die Kehle durchgeschnitten worden sein. Der Tipp sei wohl aus der Landwirtschaft gekommen. „Man hat hier sehr verantwortungsbewusst gehandelt", erklärt Stefan Köhler, Bezirkspräsident des Bauernverbands. „Tierschutz ist eine wichtige Angelegenheit und sollte eingehalten werden. Wir haben eine Verantwortung gegenüber der Kreatur.“ Bilder von den Überwachungskameras liegen PrimaSonntag aktuell nicht vor. Auf Nachfrage teilte uns ein Vertreter der SOKO-Tierschutz mit, dass zunächst der Fokus auf der bundesweiten Berichterstattung liege und die Bildrechte zunächst exklusiv bei der ARD bzw. dem MDR liegen.

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Bilder aus 2015 Foto: Facebook SOKO Tierschutz

„Alles muss auf den Tisch“
Auch Aschaffenburgs Oberbürgermeister Jürgen Herzing prüft den Fall. „Die geschilderten Zustände sind untragbar und können so auf keinen Fall bleiben. Da müssen wir ganz massive Konsequenzen ziehen.“ Fraktionsvorsitzender der Grünen im Aschaffenburger Stadtrat Stefan Wagener sagte, „dass der Schlachthof geschlossen bleiben soll, wäre für die Region sehr schlecht. Das würde bedeuten, dass unsere Landwirte lange Fahrten zu industriellen Schlachthöfen von Großkonzernen wie Tönnies auf sich nehmen müssen. Das bedeutet: schlechtere Qualität der Produkte und mehr Stress für die Tiere. Eine lückenlose Aufklärung ist nötig um hier die beste Lösung zu finden.“ Auch die CSU hält den Schlachthof an sich für wichtig für die Region und dieser soll auch langfristig erhalten bleiben. „Natürlich sind wir über die Missstände entsetzt“, berichtet Peter Schweickard von der CSU-Stadtratsfraktion. „Das Ganze muss lückenlos aufgeklärt werden, im Besonderen inwieweit der Betreiber seine Aufsichtspflicht verletzt hat.“ Der SPD gehen diese Konsequenzen allerdings nicht weit genug. „Wir waren völlig schockiert“, erklärt Dr. Erich Henke von der SPD-Aschaffenburg. „Die Stadtratsfraktion hat die fristlose Kündigung des Betreibervertrags beantragt. Das Ganze muss jetzt strafrechtlich verfolgt werden. Alles muss schonungslos auf den Tisch.“ Auch die Landtagsabgeordnete Martina Fehlner (SPD) zeigt sich ob der Zustände im Schlachthof entsetzt. „Das bringt eine ganze Branche in Misskredit. Es muss zukünftig nicht nur mehr Videoüberwachung geben, sondern auch strengere Kontrollen. Die Betreiber dürfen sich natürlich nicht selbst kontrollieren - die Kontrollen müssen unangekündigt stattfinden. Das wäre ein guter erster Schritt auf dem Weg zu mehr Tierschutz.“ Marco Häuser ist Geschäftsführer der gleichnamigen Metzgerei in Aschaffenburg. „Die aktuellen Ereignisse sind natürlich ein herber Rückschlag für das Vertrauen in das Lebensmittel Fleisch und für unsere regionale Erzeugung. Daher muss der Fall mit aller Konsequenz aufgearbeitet werden. Jetzt sind wir alle gefragt und wir wollen da unterstützend beitragen. Die Missstände müssen dauerhaft abgestellt werden.“

Das sagen unsere Leser:

Toni Matt aus Aschaffenburg:

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„Es sind wahrscheinlich die Auswirkungen davon, dass Massentierhaltung billig ist. Auf jeden Fall soll der Fleischkonsum überdacht werden, weil es mit dem billig Fleisch nicht so weitergehen kann.“

Detlef Beißler aus Aschaffenburg:

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„Ich finde es gut, dass der Schlachthof schließen musste, wir haben selbst Hunde und Katzen und ich kann Tierquälerei einfach nicht unterstützen. Ich muss persönlich dazu sagen, ich bin natürlich Fleischesser. Zwar nicht jeden Tag, aber die Menschheit ist schon irgendwo auf Fleischkonsum angewiesen.“

Thomas Wimmer aus Aschaffenburg:

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„Ich esse auch Fleisch und finde es natürlich auch nicht gut, was mit den Tieren passiert, aber da schaut seit Jahrzehnten keiner hin. Tierschutz sollte mehr publik gemacht werden. Momentan esse ich weniger Fleisch als früher. Wenn man sich Berichte anschaut, dann sieht man das Tiere darunter leiden, wenn sie nicht Artgerecht gehalten werden.“

Thorsten Thomas aus Aschaffenburg:

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„Ich bin gegen Tierquälerei, aber esse auch Fleisch. Tierwohl ist für mich wichtig und beim Einkaufen achte ich darauf, dass es mindestens Haltungsstufe 4 oder Bio ist. Ich versuche, in meinem Rahmen das Möglichste zu tun.“

Achim Strauch aus Aschaffenburg:

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„Also ich hab mich jetzt nicht weiter mit dem Schlachthof beschäftigt, aber wenn da Tiere gequält wurden, ist es schon richtig. Ich habe aber vom Schächten noch nie was gehalten. Aber ich bin der Meinung, dass der Fleischkonsum jedes Menschen eigene Sache ist. Wenn jemand vegan leben will, soll er das tun und andersherum auch, das ist eine individuelle Sache.“

Judith Hirsch aus Hösbach:

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„Ich finde es sehr gut, dass er geschlossen worden ist. Ich esse kein Fleisch und stehe für artgerechte Tierhaltung. Sowas ist ein Skandal. Generell sollte der Fleischkonsum in Deutschland überdacht werden, allein wegen dem Klimawandel!“

Christina Schneider aus Aschaffenburg:

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„Ich bin gegen Tierquälerei, habe aber selbst keine Tiere. Deswegen finde ich den Fleischkonsum in Deutschland eigentlich auch nicht verkehrt, ich bin ja kein Vegetarier.“

Birgit Ulbricht aus Bessenbach:

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„Wenn das angebracht ist, ist das genau richtig so, weil man ja nie weiß, wie die Tiere gequält werden beim Schlachten. Dass die Tiere gequält

Werden, ist schrecklich traurig. Früher wurde auch nicht jeden Tag Fleisch gegessen. Ich esse höchstens zweimal die Woche, man sollte nämlich mehr auf Ökologie setzen und auf Gemüse oder Suppen umsteigen.“

Pia Noll aus Aschaffenburg:

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„Wenn das wirklich stimmt, dann finde ich es gut, dass der Schlachthof schließen musste. Tiere sollte man nicht quälen und es ist schade, dass sowas hier in der Region passiert, weil es einen ja irgendwo selbst betroffen macht. Ich meine, ich bin zwar selbst Fleischesser, aber ich will, dass es den Tieren gut geht. Der Fleischkonsum muss nach sowas dringend überdacht werden.“