Schluss mit: ,,Oh wie süß"?!
BAYER. UNTERMAIN (ps). „Ach, die sind so süüß!“ Solche oder ähnliche Aussagen hört man nicht selten, wenn die Rede von Waschbären ist. Die possierlichen Tierchen sind ja auch sehr hübsch anzusehen, mit der unverkennbaren „Maske“, den langen Schnurrhaaren und dem buschigen, geringelten Schwanz. Aber Waschbären sind nicht nur süß: Sie werden immer mehr zur Gefahr für heimische Tierarten und vermehren sich stark.
Der Bestand in den Kreisen Miltenberg und Aschaffenburg wächst und wächst. Die Waschbären wandern nämlich von Hessen nach Bayern ein und sind deshalb gerade bei uns in der Region häufig vertreten. Und es werden immer mehr, denn: Der Waschbär fühlt sich hier pudelwohl. Egal ob Obst, Frösche, Mäuse oder Vogeleier, er ist extrem anpassungsfähig und frisst fast alles. Außerdem hat er bei uns keine natürlichen Feinde, nur der Straßenverkehr und die Jagd tragen dazu bei, den Bestand zu begrenzen. Als „invasive Art“ kommt der kleine Kerl ursprünglich aus Nordamerika und wurde zur Pelzgewinnung hierher verschleppt. Ein unfreiwilliger Eindringling im heimischen Ökosystem also. Und das hat Folgen für „alteingesessene“ Tiere und Pflanzen.
„Jetzt ist genug“
„Im Winter waren die da von abends halb zehn bis morgens um vier. Ich habe eine Futterstelle für Vögel im Garten, deshalb kommen die so gerne“, erzählt Ulrike O. aus Bessenbach. „Am helllichten Tag kam dann sogar ein Waschbär, da saßen wir gerade beim Frühstück. Jetzt räume ich abends die ganzen Futterstellen und das Häuschen ins Haus und stelle alles morgens wieder raus.“ Vor einigen Wochen sei die Situation dann beinahe eskaliert. „Da hat dann einer vor unserer Katzenklappe gesessen und wollte ins Haus rein, das sieht man auch auf den Aufnahmen der Wildtierkameras. Das weiß man ja, wenn ein Waschbär ins Haus reinkommt, dann verwüstet der alles. Da habe ich mir gesagt: ‚So und jetzt ist genug‘“, erzählt Ulrike O. Sie bat einen Jäger, sich dem Problem anzunehmen. Allerdings schweren Herzens: „Ich finde Waschbären total süß und möchte eigentlich nicht, dass sie erschossen werden. Wenn Kastration etwas bringen würde, dann wäre ich natürlich dafür.“
Heimische Arten schützen
„Waschbären sind vor allem für unsere Singvögel, Amphibien und Reptilien ein Problem. Selbst Greifvogelbruten und Störche sind auf ihren Horsten nicht sicher. Sie bedienen sich beispielsweise an den Auffangeimern von Amphibienschutzzäunen, die Frösche und Kröten vor dem Straßenverkehr schützen sollen“, erzählt Marcus Stüben. Der Biologe aus Keilberg erstellt Artenschutz-Gutachten. „Der Erdkröte, die ein Sekret absondert, um sich vor Fressfeinden zu schützen, zieht der Waschbär bei lebendigem Leib die Haut ab. Mit dem Wissen denken Sie anders über Waschbären“, sagt er. „Das ist ein heißes Eisen, was die Politik bislang nicht anfasst.“ Der LBV (Landesbund für Vogel- und Naturschutz in Bayern) Aschaffenburg-Miltenberg warnt ebenfalls vor den Auswirkungen auf Flora und Fauna. Pressesprecher Markus Erlwein stellt klar: „Wenn wir unsere heimische Artenvielfalt erhalten wollen, muss der Waschbär-Bestand reguliert werden.“ Ihm ist eines besonders wichtig: „Bitte auf keinen Fall die Waschbären füttern! Ich weiß, die sehen süß aus, aber es sind Wildtiere. Mit der Fütterung verschlimmert man die Sache nur.“
„Der wachsende Bestand ist ein Problem“
Julius Cibis ist Metzger und die Jagd sein Hobby. Er ist Revierpächter des Gemeinschafts-Jagdreviers in Keilberg. Das Bejagen von Waschbären hält er für eine der wenigen Möglichkeiten, die Ausbreitung einzudämmen. „In der Saison 2023 wurden 26 Waschbären erlegt, 2024 waren es bis jetzt schon 37. Da sieht man den deutlichen Anstieg und die Jagdsaison ist nicht mal zu Ende.“ Dass Waschbären total niedlich aussehen, findet auch Julius Cibis. Allerdings können sie eine echte Bedrohung für unser Ökosystem sein. „Die schaden definitiv der heimischen Tierwelt, weil sie viel anpassungsfähiger sind als unsere Tiere und einfach alles fressen.“ Das kleine Raubtier richte beispielsweise unter den Singvögeln und Amphibien großen Schaden an. „Gerade wenn man der Natur sehr verbunden ist, müsste man eigentlich zu dem Schluss kommen, dass der Kollege bei uns nichts verloren hat. Wir werden den nicht mehr los, aber wir können den Bestand jagdlich eindämmen. Wenn wir die Waschbären nicht dezimieren, dann dezimieren sie alles andere, was kreucht und fleucht“, stellt Julius Cibis klar.
Unsere Region stark betroffen
Großheubachs Bürgermeister Gernot Winter klagt über die vielen Waschbären. Der Bestand habe sich enorm erhöht, die Bürger hätten sich schon öfter an örtliche Jäger gewandt und sogar einer der beiden Kindergärten sei betroffen. „In bebautem Gebiet dürfen die Tiere bei uns nicht geschossen werden. Eine Ausnahmegenehmigung unter Einhaltung aller Vorsichtsmaßnahmen wurde von der Miltenberger Jagdbehörde abgelehnt.“ Die Jäger würden derzeit im Wald alle Waschbären abschießen, die sie sehen; das bringe aber nicht viel für den Innerortsbereich. „Was möglich wäre, wäre das Aufstellen von Lebendfallen, wofür allerdings ein Sachkundelehrgang (zusätzlich zum Jagdschein), den nur wenige Jäger haben, vorgeschrieben ist. Ich drücke es mal bewusst so aus: Ein legales, effektives und nachhaltiges Entgegenwirken wird aus meiner Sicht durch die gesetzlichen Vorgaben nahezu verunmöglicht.“