„Schlimmster Hilfeschrei, den ich je gehört habe“
ASCHAFFENBURG (ps). Mitten in der Nacht schreckt Susanne Niemann aus ihrem Schlaf. Sofort ist sie hellwach und spürt, dass etwas ganz und gar nicht stimmt. Dann hört die Aschaffenburgerin einen markerschütternden Schrei und handelt sofort: Mit ihrem beherzten Eingreifen rettet sie eine andere Frau vor einem sexuellen Übergriff, vielleicht sogar vor einer Vergewaltigung. Dafür wurde sie jetzt im Rahmen der Veranstaltung „Mutiges Vorbild - wertgeschätzt“ im Landgericht Aschaffenburg ausgezeichnet.
„Das war der schlimmste Hilfeschrei, den ich in meinem ganzen Leben gehört habe“, erzählt Susanne Niemann. „Ich habe sofort überlegt, woher der kommt. Als ich aus dem Fenster geschaut habe, habe ich unten eine Frau und einen Mann gesehen und gebrüllt ‚Ihr bleibt genau da, wo ihr seid. Ich komme jetzt runter!‘“ Barfuß und im Schlafanzug rennt sie die Treppe runter und öffnet die Haustür. Nachdem die panische Frau ins Haus gerannt ist, sperrt Susanne Niemann den Täter aus. „Das Verrückte ist, dass der Mann nicht weggelaufen ist. Der hat dann gegen die Tür geklopft. Die Frau stand sichtlich unter Schock und war auch leicht verletzt.“ Kurz darauf gehen die beiden Frauen nach oben in Susanne Niemanns Wohnung, um die Polizei zu rufen. „Ich bin dann nochmal ans Fenster und habe gesehen, dass der Typ sich immer noch in der Nähe rumdrückt. Also habe ich der Polizei gesagt, dass sie ohne Martinshorn kommen sollen.“ Die eintreffenden Beamten konnten den Mann sofort festnehmen - er wurde zu einer dreijährigen Haftstrafe verurteilt.
Kein Einzelfall
Im Jahr 2023 wurden am bayerischen Untermain insgesamt 30 sexuell motivierte Straftaten zur Anzeige gebracht, davon 14 Vergewaltigungen. „Wichtig ist dabei, dass das nur die eingeleiteten Strafverfahren sind, ob der oder die Täter dann wirklich verurteilt wurden, ist nicht klar“, sagt uns Maximilian Basser, Pressesprecher der Polizei Unterfranken. „Sexuelle Übergriffe und Vergewaltigungen passieren häufig auch im häuslichen Umfeld, also durch den Partner oder Ehemann. Da gibt es dann meist keine Zeugen und bei Aussage gegen Aussage ist es natürlich sehr schwer, eine Tat juristisch zu verfolgen.“ Umso mutiger und vorbildlich ist das Handeln von Susanne Niemann zu bewerten. Ein Glücksfall für das Opfer, dass sie den Hilfeschrei in jener Nacht gehört und sofort reagiert hat. So konnte ein schlimmes Verbrechen verhindert und der Täter dingfest gemacht werden.