Schiri gesucht!
BAYER. UNTERMAIN (jm). Sie sind die Chefs auf dem Platz und alle tanzen nach ihrer Pfeife - die Schiedsrichter. Aktuell herrscht allerdings im Fußball ein großer Mangel an Unparteiischen. Ibrahim Soysal und Fabian Ritter pfeifen seit Jahren in der Region. In PrimaSonntag sprechen die beiden über ihre Leidenschaft und unter welchen Problemen die Schiris leiden.
,,Wer in die Bundesliga will, muss aufhören Fußball zu spielen und sofort die Pfeife in die Hand nehmen``, erzählt Ibrahim Soysal. „Da ist der Weg einfacher als im Spielerbereich.“ Er ist Schiedsrichter-Gruppen-Lehrwart beim Bayerischen Fußball-Verband in Aschaffenburg und selbst seit mehr als 20 Jahren als Unparteiischer tätig. „Mir gefällt, dass man auf andere Gedanken kommt und den Alltagsstress vergisst“, beschreibt Soysal sein Hobby. „Man gewinnt vor allem auch im jungen Alter an Selbstbewusstsein und Durchsetzungsvermögen.“ Schon damals litt die Branche unter Personal-Mangel. „Allerdings nicht so schlimm wie heute“, erinnert sich der 37-Jährige. „Alle Spiele konnten noch besetzt werden.“ Mittlerweile ist es leider gang und gäbe, dass Spiele in den unteren Klassen teilweise nicht besetzt werden können. „Das ist jetzt wirklich enorm.“ Den Höhepunkt erreichte das Problem mit der Corona-Pandemie, als der Spielbetrieb ruhte. „Viele Leute haben sich einfach daran gewöhnt am Wochenende zuhause zu bleiben und Zeit mit der Familie zu verbringen“, erklärt Soysal. „Das hat dazu geführt, dass viele Schiedsrichter aufgehört haben.“
Fehlender Nachwuchs
Auch Fabian Ritter aus Aschaffenburg weiß um die Probleme in der Schiedsrichter Branche. Der 24-Jährige hat bereits seit 2010 die Pfeife im Mund. „Ich habe damals zusammen mit meinem Vater die Schiedsrichter-Ausbildung angefangen“, erinnert sich der Student. „Anfangs habe ich dann parallel dazu noch Fußball gespielt.“ Irgendwann entschied er sich dann aber komplett fürs Pfeifen. „Ich war nie ein brillanter Fußballer, wollte aber gerne dem Sport erhalten bleiben.“ Fabian Ritter sieht ein entscheidendes Problem beim fehlenden Nachwuchs. „Wenn man heute einen Schiedsrichter-Lehrgang macht, muss man froh sein, sechs bis sieben zusammenzubekommen“, erklärt der 24-Jährige. „Davon bleibt dann am Ende vielleicht einer übrig.“ Die Schiedsrichter würden immer älter werden - Nachwuchs: Fehlanzeige. In seiner Schiedsrichter Gruppe „Kahl“ zählt Fabian immer noch zu den Jüngsten. „Es gab Zeiten, da habe ich in 14 Tagen an die zehn Spiele gepfiffen“, berichtet der Fußball-Fanatiker. „Das geht auch mit 60 bis 70 Jahren einfach nicht mehr.“ Die Folge: B-Klasse-Spiele können fast gar nicht mehr besetzt werden. „Das geht vom Herren- bis in den Jugendbereich.“ Laut dem Kreis-Schiedsrichter-Obmann Reinhold Greubel fehlen dafür etwa 30 bis 40 Schiedsrichter in der Region. „Wir haben 138 aktive und ungefähr 70 passive Unparteiische für 120 Spiele am Wochenende.“ Früher waren es insgesamt mal 240.
„Mehr Anreize schaffen“
Seitdem Fabian Ritter und Ibrahim Soysal angefangen haben, hat sich auch ein weiterer Aspekt im Amateurfußball extrem verschlechtert. „Vor Corona haben Anfeindungen gegen Schiedsrichter ihren Höhepunkt erreicht. Es hatte überhaupt niemand mehr Respekt vor den Unparteiischen“, klagt Soysal. „Früher waren die Spieler und Zuschauer verständnisvoller.“ Diesen Trend spürt auch Ritter. „Auf Social Media geht es gefühlt in jedem zweiten Beitrag um Schiedsrichter-Entscheidungen“, berichtet Ritter. „Dadurch wird natürlich auch viel mehr öffentlich gegen die Unparteiischen geschossen.“ Das sei so zwar im Amateurbereich noch nicht angekommen, teilweise sei der fehlende Respekt, aber deutlich spürbar. „Die Bundesliga ist da kein gutes Vorbild.“ Fabian Ritter ist der Meinung, man müsse dem Nachwuchs mehr Anreize geben. „Viele Kollegen müssen ihre Trikots, die um die 250 Euro kosten, selbst bezahlen“, berichtet der Student. „Da muss man auch die Vereine mehr in die Pflicht nehmen.“ Mit dem Schiedsrichterausweis bekommt man bei DFB-Spielen freien Eintritt. „Wenn man aktiv am Wochenende als Schiedsrichter unterwegs bist, hast du dafür keine Zeit“, erklärt Ritter. „Zusätzlich kommt es vor, dass man vor Ort ist und es keine Schiedsrichter-Tickets mehr gibt. Ein Schattenargument!“ Ibrahim Soysal hofft zukünftig auf bessere Zeiten. „Zum einen gibt es Taschengeld, das ist natürlich ganz wichtig“, lacht der 37-Jährige. „Man wächst aber auch menschlich ungemein an der Verantwortung und nimmt viel für sein Leben mit.“