„Potenzial für mehr!“
GROSSWALLSTADT (mg). Derbytime heißt es diesen Sonntag in Elsenfeld, wenn der TV Großwallstadt auf den TV Hüttenberg trifft. Nachdem die Roth‘sche Truppe zuletzt ihren ersten Auswärtssieg feierte, will sie jetzt zuhause an der vorangegangen Heimstärke anknüpfen. Aktuell rangiert der TVG auf dem siebten Platz, Hüttenberg auf 14. PrimaSonntag hat vor dem bayerisch-hessischen Derby mit Trainer Michael Roth und einem Nachwuchstalent mit einer besonderen Geschichte gesprochen…
„Ich bin vor ca. eineinhalb Jahren nach Grosswallstadt gekommen. Ich bin vor dem Krieg aus meiner Heimat, der Ukraine, nach Deutschland geflüchtet, um hier Handball zu spielen“, erzählt Dmytro Redkyn im PrimaSonntag-Interview. Der 19-Jährige wohnt in der Junioren-Akademie vom Handballzweitligisten und erhielt im Sommer einen Profivertrag über drei Jahre. In der letzten Saison durfte er bereits ein wenig Bundesligaluft schnuppern. Aufgrund der Verletzung von Görkem Bicer wurde der Rechtsaußen in den Bundesligakader berufen und kam auf 30 Einsätze, in denen er 21 Mal netzte. In diesem Jahr sind seine Einsatzminuten signifikant gesunken, in nur fünf Partien durfte der Ukrainer mit der ersten Mannschaft aufs Parkett. Für den Jungspund keine einfache Situation: „In dieser Saison bekomme ich so gut wie keine Spielanteile und werde häufiger in der 2. Mannschaft eingesetzt. Allerdings besuche ich aktuell auch vormittags einen Integrationskurs, kann also nicht an allen Trainingseinheiten teilnehmen. Ich hoffe, dass sich das in der nächsten Saison ändert.“ Trainer Michael Roth sieht in ihm ein großes Talent für die Zukunft. „Er muss sich im Moment im Training und bei der 2. Mannschaft empfehlen, aber es ist vorgesehen, dass er spätestens nächstes Jahr voll in den Kader stößt.“ Vor allem die Angriffsqualitäten des Ukrainers begeistern die Wällschter Legende. Sein Co-Trainer Slava Lochmann spielt eine große Rolle im Leben von Redkyn: „Slava war auch mitausschlaggebend, dass ich nach Großwallstadt gekommen bin. Ich habe eine ausgezeichnete Beziehung zu ihm. Ich schätze und bewundere ihn sehr.“ Er ist es auch, der Dmytro zuletzt einen seiner größten Träume erfüllte. Lochmann betreut nämlich auch das ukrainische Männer-Nationalteam.
Große Ehre
„Das Tragen des Trikots des eigenen Landes ist eine große Verantwortung. Dessen bin ich mir bewusst“, so Redkyn über sein Nationalmannschaftsdebüt. Normalerweise läuft der Handballer bei der U 19 seines Landes auf. Die Berufung in die A-Riege ist für ihn eine große Ehre. „Natürlich geht es da auch noch etwas ernster zu, aber ich war bereit dafür und habe mein Bestes gegeben.“ Das zeigte sich auch auf dem Spielberichtsbogen, denn Redkyn erzielte prompt seinen ersten Treffer! „Das macht einen natürlich stolz.“ Beim TVG will das Nachwuchstalent weiter Erfahrungen sammeln und sich weiterentwickeln. Coach Roth beschreibt seinen Schützling als ein wenig schüchtern und zurückhaltend, wichtig sei es, die Sprachbarriere zu überwinden: „Er muss jetzt schauen, dass er schnellstens Deutsch lernt, dass er besser kommunizieren kann.“ Teammanagerin Nina Mattes weiß um die schwierige Situation der jungen ukrainischen Spieler im Verein und versucht, es ihnen hier so einfach wie möglich zu machen: „Natürlich leiden die Jungs sehr unter der Kriegssituation in ihrer Heimat, sind hierher als Jugendliche ohne Familie gekommen. Es ist unsere Aufgabe, ihnen die Sicherheit und ein familiäres Umfeld zu geben. Ich bin mir sicher, dass wir mit Dmytro noch viel Freude haben werden. Er hat das Potenzial für mehr.“
Historisches Duell
Am Wochenende ist der TV Hüttenberg in der Untermainhalle in Elsenfeld zu Gast - ein geschichtsträchtiges Duell. In den 70er und 80er Jahren trugen die beiden Dorfvereine etliche Derbys in der Bundesliga aus. Das Team aus Mittelhessen zog bei den Aufeinandertreffen meist den Kürzeren. Nachdem sich beide Mannschaften aus der höchsten deutschen Klasse verabschiedeten, änderte sich das aber: In zwölf Zweitligapartien konnte der TVG nur zwei für sich entscheiden, die letzten acht gingen alle an den TVH und der letzte Wällschter Heimsieg gegen die Hessen liegt jetzt schon über acht Jahre zurück. Motivation genug für Roth und seine Jungs: „Wir haben die Woche dazu genutzt, uns auf das Abwehrsystem des Gegners vorzubereiten, um mit den Fans im Rücken den Sieg zu holen.“ Die Blau-Weißen feierten zuletzt ihren ersten Auswärtssieg und gehen dementsprechend mit viel Selbstvertrauen in die Partie. Gegen Essen änderte Roth das Abwehrsystem, was voll aufgegangen ist. Trotzdem sieht der Trainer noch Steigerungsbedarf, zahlreiche Verletzungen machten den Unterfranken in der letzten Zeit das Leben schwer. Auch am Sonntag stehen hinter einigen Personalien Fragezeichen. Während Adrian Kammlodt weiterhin ausfällt, bangt das Team um Kapitän Dino Corak. Der Kreisläufer klagt über Blessuren, genau wie Spielmacher Mario Stark. Florian Eisenträger hat mit einer Adduktorenzerrung zu kämpfen und Finn Wullenweber ist noch nicht ganz bei hundert Prozent. Trotzdem geht man in Großwallstadt optimistisch in die Partie und will die Negativserie beenden. Und vielleicht dann auch mit Dmytro Redkyn auf dem Parkett…