"Niemand sagt: Treiben Sie Ihr Kind ab!“
BAYER. UNTERMAIN (fs). Nicht immer ist der positive Strich auf dem Schwangerschaftstest ein Grund zur unbändigen Freude. Egal, wie gut verhütet worden ist, jede Frau muss damit rechnen, dass es passieren kann. Für einige ist es aufgrund der Lebensumstände jedoch unmöglich, ein Kind zu bekommen. Eine Abtreibung scheint häufig der einzige Ausweg. Während Deutschland die Rahmenbedingungen für den Schwangerschaftsabbruch gerade lockert, könnte er in Teilen der USA bald sogar verboten sein. In PrimaSonntag lesen Sie, was Experten in unserer Region zu den aktuellen Entwicklungen sagen.
Jede Frau hat das Recht, über ihren eigenen Körper zu entscheiden, argumentieren die einen. Die anderen sagen, wir müssen das ungeborene Leben schützen. Die Diskussion um das Thema Abtreibung ist nicht neu. Neu sind allerdings Regelungen in Deutschland und den USA. Bisher war es bei uns verboten, für Abtreibung zu werben. Dieser Artikel 219a ist nun von der Bundesregierung gekippt worden. Das bedeutet nicht, dass wir jetzt mit riesigen Plakaten rechnen müssen, auf denen steht „Treiben Sie ihr Kind ab!“. Vielmehr dürfen Frauenärzte nun frei über Abtreibungen und ihre Methoden informieren. „Wir müssen trotzdem aufpassen, dass klar bleibt: Eine Abtreibung ist keine normale medizinische Behandlung“, erklärt Annabel Staab, Leiterin der Beratungsstelle Donum Vitae in Aschaffenburg. In Deutschland muss jede Frau vor einer Abtreibung einen Beratungstermin wahrnehmen. Drei Tage später kann sie den Abbruch dann durchführen, wenn sie das immer noch möchte. „Wir hoffen, dass die Frauen dadurch eine fundiertere Entscheidung treffen können“, meint Staab. Zu ihr kommen die unterschiedlichsten Frauen - aus allen Altersklassen, sozialen Schichten und Familienkonstellationen. Dort erhalten sie aber auch jede andere Form der Unterstützung rund um das Thema Schwangerschaft und Geburt.
Nur Rabenmütter geben ihr Kind weg?
Die Gründe für den Wunsch nach einem Schwangerschaftsabbruch können ganz unterschiedlich sein. „Die meisten Frauen befinden sich in einer absoluten Ausnahmesituation“, erklärt Dr. Leonie Göde, Gynäkologin aus Mainaschaff und Mitglied bei der Frauenrechtsorganisation „Terre de Femmes“. „Viele haben Zukunftsängste“, erzählt Staab. „Finanzielle Probleme oder fehlende Aufklärung sind selten das Problem.“ Zu diesen Ängsten zählt häufig, dass Frauen sich überfordert und psychisch nicht in der Lage fühlen, für ein Kind zu sorgen. Staab geht dann mit ihnen alle Optionen durch. Besteht die Möglichkeit doch, das Kind auszutragen? Oder was wäre mit einer Adoption? Für die meisten kommt das jedoch nicht in Frage. „Nur eine Rabenmutter gibt ihr Kind weg. Diese Ansicht ist in unserer Gesellschaft noch weit verbreitet“, erklärt Staab. Aber auch die Angst vor einer emotionalen Bindung zum Kind, oder den gesundheitlichen Risiken einer Schwangerschaft, spielen eine Rolle. Die Entscheidung für oder gegen den Abbruch ist für die meisten sehr schwierig. Einfluss nehmen Schuldgefühle, aber auch Eltern und der Partner. Am Ende liegt es aber bei der Frau selbst. Und das ist auch gut so, findet Göde: „Wir sollten Frauen in dieser schwierigen Lage die Möglichkeit geben, sich richtig zu informieren!“ Sie befürwortet daher die Abschaffung von Artikel 2019a. Im Netz tummeln sich haufenweise Falschinformationen von sogenannten „Lebensschützern“. „Es ist an der Zeit, dass Frauenärzte neutral und über ihre Methoden aufklären können.“ Bundestagsabgeordnete der CSU, Andrea Lindholz aus Aschaffenburg warnt trotzdem vor der neuen Regelung: „Ich bin selbst eine Frau und für mich sind Frauenrechte auch sehr hoch zu bewerten. Aber wir müssen auch das ungeborene Leben schützen. Das kam in der aktuellen Debatte leider viel zu kurz.“
„Entwicklung in
den USA macht Angst“
Die USA geht zum Thema Abtreibung aktuell in eine ganz andere Richtung als Deutschland. Das oberste Gericht, der Supreme Court, hat ein Urteil gekippt, das Frauen Abtreibungen erlaubt hat. In vielen Staaten könnten Abtreibungen jetzt wieder verboten werden. „Die Entwicklung dort macht mir Angst!“, beschreibt es Staab. „Das ist ein großer Rückschritt für die Frauenrechte!“ Auch Göde bereitet die Debatte dort Sorge: „Frauen werden jetzt illegal versuchen, ihre Schwangerschaft abzubrechen. Oder es selbst versuchen. Das kann für ihre Gesundheit sehr gefährlich werden!“ In Deutschland sind in den letzten 50 Jahren die Schwangerschaftsabbrüche stark zurückgegangen. „Das liegt vor allem an unserer liberalen Politik“, erklärt Staab. „Je offener wir mit dem Thema Schwangerschaftsabbrüche umgehen, umso besser können wir informieren und umso weniger Abtreibungen wird es geben.“
Herr Klebig aus Stockstadt:
„Ich finde es eigentlich eine Frechheit, dass Ärzte damals Probleme bekommen haben, wenn sie über Abtreibung aufklären wollten. Die Information über das Thema ist so wichtig, da ist das Verbot eine Schande. Es ist von Staat zu Staat unterschiedlich und Amerika ist ja von Grund auf anders aufgebaut. Da ist die Mentalität auch eine andere. “
Ingrid Hauck aus Aschaffenburg:
„Also ich würde sagen, dass jeder für sich selbst verantwortlich ist und wenn jemand abtreiben will, dann kann er das machen. Man sollte aber nicht unbedingt Werbung dafür machen, das ist dann zu öffentlich. Dass in Amerika Abtreibung teilweise verboten wird, habe ich mitbekommen. Das finde ich nicht so gut, da es viele Situationen gibt, wo Frauen überfallen werden oder kein Geld haben und nicht wissen, wie es weiter geht. Und dann dürfen sie sich überlegen, was sie tun wollen. Das ist ihre eigene Sache, ganz einfach.“
Katharina aus Aschaffenburg:
„Ich finde das gut, da in anderen Ländern Frauen auch einfach ohne ärztliche Beratung abtreiben. Dass das Informationsverbot jetzt aufgelöst wurde, wird sich meiner Meinung nach positiv auf die Abtreibungszahlen auswirken. Es ist furchtbar, dass die Abtreibung in Amerika eingeschränkt wurde. Das gehört wahrscheinlich zum Populismus der Republikaner dazu. Es ist umso schlimmer, dass die trotzdem so stark sind in Amerika.“
Sarah Fromkorth aus Leidersbach:
„Es passieren ja auch Unfälle und Straftaten. Da finde ich es schon sinnvoll, dass man darüber informieren darf. Ich kenne jemanden, der schwanger geworden ist wegen einer Straftat und da war das das Richtige. Die Person wäre sonst damit nicht klargekommen.“
Sorra aus Aschaffenburg:
Frauen müssen selbst entscheiden dürfen, ob sie abtreiben wollen oder nicht. Es darf kein Verbot der Abtreibung geben. Es gibt die verschiedensten Gründe, warum sich eine Frau dazu entscheidet und diese Entscheidung sollten wir ihr nicht abnehmen. Die Situation in Amerika finde ich furchtbar.“