„Man fühlt sich völlig machtlos“
BAYER. UNTERMAIN (ps/kh). Von grauem Himmel, Regen und Frost haben die meisten die Nase voll. Es soll endlich richtig Frühling werden. Das wünschen sich aber besonders unsere Landwirte, denn für sie geht es um die Existenz und für ihre Ernte könnte die klirrende Kälte das Aus bedeuten: Große Ausfälle sind vergangene Woche über Nacht zur Realität geworden. Die Obst- und Weinbauern aus der Region befürchten, diese dramatischen Ernteausfälle dieses Jahr nicht mehr ausgleichen zu können. Egal ob Apfel, Wein, Erdbeeren oder Spargel: Nicht immer konnten ihre Gewächse optimal geschützt werden, denn die Natur ist oft stärker.
Er ist einfach ein Kulturgut - unser fränkischer Wein. Er prägt das Landschaftsbild und lässt uns, wenn wir am Main entlang durch Klingenberg oder durch die Alzenauer Region spazieren, einfach zuhause fühlen. Noch schlimmer trifft uns dann die Nachricht, dass viele Obst- und Weinbauern aktuell bangen müssen, ob ihre Ernte den Frost überstanden hat. Das Weingut Dieter Zöller aus Erlenbach bewirtschaftet 2,5 Hektar in den Klingenberger und Erlenbacher Steillagen. 80 bis 100 Prozent sind durch den Frost gefährdet: „In den Nächten der vergangenen Wochen war es teilweise bis zu -3 Grad. Das haben die Rebstöcke nicht mehr mitgemacht und sind erfroren“, klagt Zöller. Ein unter Winzern relativ verbreitetes Mittel im Kampf gegen die Kälte sind sogenannte Frostkerzen. Die sind aber sehr teuer und nicht immer erfolgsversprechend. So müssen auf einer Fläche von einem Hektar 300 bis 400 Stück aufgestellt werden - der Landwirt muss also schon Stunden, bevor es gefriert, mit dem Aufstellen der Frostkerzen beginnen. „Das mit dem Retten ist schwierig, man kann sie zwar aufstellen, aber ich weiß nicht, ob ich damit Glück gehabt hätte. Bei diesen niedrigen Temperaturen kann man eigentlich nix machen.“
Rettung mit Feuer?
Auch Weinbautechniker Max Hubert aus Alzenau-Hörstein bewirtschaftet mit seiner Familie 3,5 Hektar Weinanbaufläche und baut die klassisch fränkischen Sorten wie Silvaner, Spätburgunder und Riesling an. Seine Flächen sind in 20 Teilstücke aufgeteilt, sodass Feuer im Weinberg viel zu aufwendig gewesen wäre: „Man ist einfach machtlos, Kollegen haben Feuer in den Weinbergen gemacht, das hat aber auch nicht den gewünschten Erfolg gebracht. Wir hätten dazu 20 bis 30 Helfer gebraucht, um dem entgegen zu wirken. Wie soll man sich das leisten?“ So geht es auch Dieter Zöller. „Dieser Jahrgang liegt nahe an einem Totalausfall. Die Rebstöcke treiben zum Glück nochmal aus und bilden dann eine geringe Ernte, aber von einer normalen Ernte sind wir definitiv ganz weit weg. Ich fühle mich total beschissen“, sagt Zöller verzweifelt. „Alles, was unter -0,5 Grad ist, macht die Pflanze kaputt. Es sind nur noch ganz wenige grüne Triebe zu sehen, wenn man durch den Weinberg fährt. Das sieht sehr schlimm aus.“ Reben sind Überlebenskünstler - das heißt, für nächstes Jahr ist wieder eine normale Ernte zu erwarten, aber: „Ernteausfall bedeutet für mich natürlich auch Verdienstausfall. Die einzige Möglichkeit, um die Reben zu schützen, ist die Frostberieselung. Dabei werden die Pflanzen mit Wasser beregnet - der entstehende Eispanzer schützt die Blüten vor dem Erfrieren. Aber die Kosten sind für mich einfach zu hoch.“. In Hörstein geht Familie Zöller derweil von 70 Prozent Ernteausfall aus: „Die letzten Jahre waren ja allgemein nicht einfach. Die Preise der Glasflaschen sind in die Höhe gegangen und unsere Häckerwirtschaft macht jetzt am Wochenende auf, wie soll das ohne Engpässe gehen? Wir müssen davon leben.“
Um viele Obstsorten steht’s schlecht
Auch für Apfel- und Erdbeerblüten ist das spontane Erscheinen von Väterchen Frost ein Problem. Die Kälte kann nicht nur Blüten erfrieren lassen, sondern schadet den Obstsorten auch noch auf andere Weise. „Je nach Sorte sind die Bäume gerade unterschiedlich weit. Manche haben schon geblüht, andere stehen in voller Blüte. Aktuell kann ich noch nicht richtig einschätzen, ob das Wetter negative Auswirkungen auf unsere Ernte hat. Ich sehe das Problem eher bei der fehlenden Bestäubung. Bei dieser Kälte fliegen kaum Bienen und ohne Bienen gibt es keine Früchte“, erklärte uns Jürgen Kuhn. Er ist Apfelbauer von den Kellerfreunden Schneeberg, die bekannt sind für guten Apfelwein. „Das Insektensterben ist ein zusätzliches Problem. Es fliegen sowieso schon weniger Bienen.“ Ein anderer Apfelbauer der Region, Günter Winter von den Obstwiesenrettern Kahlgrund, hat die Ernte extra für uns getestet:„ Falls sich bei den Pflanzen schon ein Fruchtknoten gebildet hat, nimmt man den und quetscht den mit den Fingern auseinander. Wenn der noch grün ist, ist alles in Ordnung. Wenn der aber braun ist, ist das natürlich fatal. Dem war so und deshalb wissen wir, dass wir mit Ernteausfällen rechnen können“. Er redet aber von anderen Obstsorten: „Die Quetschen-Bäume sind größtenteils ganz hinüber, bei den Birnen ist es noch nicht ganz klar, hier wird es aber auch erhebliche Schäden geben. Älteres Fruchtholz kann noch Spätblüher bilden und da besteht dann noch Hoffnung.“ Gregor Kapraun, Betriebsleiter vom Bioland Kapraun Großostheim, baut ökologisch Erdbeeren und Spargel an. Er hat seine Erdäpfel mit einer Schutzfolie abgedeckt, einem speziellen Fließ, so haben sie nur minimalen Schaden abbekommen. „Anders sieht’s da bei unserem grünen Spargel aus“, erklärt er uns. „Da hatten wir die ganze Woche einen Ernteausfall. Die Ernte ist grad beim Spargel begrenzt, da haben wir ja nur acht Wochen und wenn dann eine Woche fehlt, ist es klar, dass das auch finanzielle Auswirkungen hat.“