„Man darf den Bezug zur Realität nicht verlieren"
ASCHAFFENBURG/GROSSHEUBACH (jm). Die meisten von uns kennen Mönche und Nonnen nur noch aus dem Fernsehen oder aus Geschichten. Allerdings gibt es in unserer Region nach wie vor zwei Klostergemeinden. PrimaSonntag hat beide besucht und über den Alltag und den Unterschied zum früheren Klosterleben gesprochen.
„Es ist eine tiefe Sehnsucht. Man fühlt sich berufen von einer tiefen Stimme in dir“, erklärt Bruder Nicola Curcio, Leiter der Franziskanischen Gemeinschaft von Betanien in Aschaffenburg. Der 45-Jährige wuchs in der Schweiz auf und hatte dort auch sein eigenes Friseurgeschäft. Mit 28 Jahren trat er dann der Ordensgemeinschaft in Italien bei. „Es gibt insgesamt zwölf Niederlassungen in Italien, Schweiz, Brasilien und eine hier in Aschaffenburg.“ Seit 2014 ist Bruder Nicola Leiter unseres Standorts, in dem drei Brüder und sieben Schwestern leben. „Das Klosterleben kann man sich sehr einfach vorstellen. Wir beten drei Mal am Tag und darum strukturiert sich unser Alltag“, erklärt der gebürtige Italiener. „Zu unseren Aufgaben zählen ganz normale Haushaltstätigkeiten wie Kochen, Putzen oder sich um den Garten kümmern.“ Außerdem kümmert sich die Gemeinschaft um Gottesdienste und Seelsorge in der Kapuzinerkirche. Dazu werden in der Diözese Würzburg alle italienisch sprechenden Gemeinden betreut.
Frauen und Männer
unter einem Dach
„Wenn Menschen zu uns kommen, haben sie oftmals große Vorurteile“, erklärt Bruder Nicola. „Es gibt bestimmt viele Bestandteile, die im Vergleich zum früheren Klosterleben gleich geblieben sind. Aber es hat sich auch einiges geändert.“ Beispielsweise leben Männer und Frauen hier unter einem Dach, das war früher nicht so. „Wir legen trotzdem Gelübde ab, also Gehorsam, Armut und Keuschheit. Allerdings haben wir gemeinsame Speise- und Aufenthaltsräume. Wir leben zusammen wie eine Familie.“ Frauen und Männer entscheiden hier gleichberechtigt. „Männer untereinander denken gleich, dadurch fallen viele Dinge leichter“, scherzt Bruder Nicola. „Aber man hat nicht diesen Wissensreichtum.“ Zum anderen ist das Kloster der Öffentlichkeit gegenüber aufgeschlossen. „Interessierte können uns besuchen und zum Beispiel eine Woche bei uns leben. Dazu knüpft man natürlich auch bei den Gottesdiensten viele Kontakte. Das finde ich sehr wichtig“, berichtet Nicola. „Ohne Außenstehende lebt man in seiner Kloster-Welt und verliert schnell den Bezug zur Realität.“
„Hin und wieder
einen Schoppen“
Ein paar Kilometer weiter gibt es am Bayerischen Untermain noch ein weiteres Kloster, genauer gesagt in Großheubach. Auf dem Engelberg, dem südlichsten Ausläufer des Spessarts, liegt schon von weitem sichtbar die Klosteranlage. Hier lebt unter anderem Richard Heßdörfer. „Ich wollte schon seit meiner Kindheit Priester werden“, erinnert sich der 75-Jährige. Nach dem Abitur habe ich dann die Franziskaner kennengelernt.“ Nach einigen Stationen als Kaplan und Pfarrer, kam Richard vor sieben Jahren ins Kloster Engelberg. Aktuell leben dort drei Priester. „Wir haben drei Gebete am Tag, dazwischen geht jeder so seiner Wege“, erklärt Richard. „Hin und wieder sitzen wir dann auch abends zusammen und trinken noch einen Schoppen.“
Fehlender Nachwuchs
Auch hier hat sich das Klosterleben über die Jahre verändert. „Die Gesellschaft ist eine völlig andere. Als ich ein Kind war, gingen alle sonntags in den Gottesdienst. Es gab Zeiten, da war ich fast jeden Tag in der Kirche.“ Mittlerweile seien nur noch selten Kinder in den Gottesdiensten. „Heute wird mehr theoretisiert und nicht praktiziert. Man redet über Gott und nicht mit ihm, sprich in Gebeten. Das Verhältnis ist ein anderes.“ Richard Heßdörfers Schwester lebt in Afrika, zu ihr pflegt er regelmäßigen Kontakt. „Sie versucht, dort den Armen zu helfen und ich suche hier nach Unterstützern“, erzählt er. „Ich war auch schon viermal dort zu Besuch. Bei meiner Familie bin ich ganz normal - dieselbe Person wie hier im Kloster.“ Ein weiterer großer Unterschied ist der Nachwuchs. „Früher hatten wir rund 100 Studenten, jetzt gibt es seit fünf Jahren niemanden mehr.“ Mittlerweile hat bei Richard Heßdörfer auch die Technik Einzug gehalten. „Meine Schwester hat mich gezwungen, mir ein Handy anzuschaffen“, scherzt er. „Das brauchen wir, damit wir besser kommunizieren können.“