Lieber einen Schlussstrich ziehen?
BAYER. UNTERMAIN (ps). Es ist für die Ampel-Parteien ein Denkzettel, der zum Aufwachen zwingen sollte: Das Ergebnis der Wahlen in Thüringen und Sachsen. In Thüringen gewinnt die als gesichert rechtsextrem eingestufte AfD deutlich vor der CDU, in Sachsen kann die sich nur um Haaresbreite gegen die blaue Konkurrenz durchsetzen. Das Wahlergebnis überrascht wahrscheinlich die Wenigsten - es zeigt, dass viele Bürger frustriert und unzufrieden sind und sich eine Veränderung wünschen. Was sollten die Ampel-Parteien jetzt tun, um den immer stärker werdenden Rechtsruck zu verhindern und ihre Wähler zurückzugewinnen? PrimaSonntag hat mit ehemaligen Politikern, die den Ampel-Parteien angehören, gesprochen.
„Es frustriert mich schon. Mit diesem Wahlergebnis wurden die Parteien der demokratischen Mitte abgestraft. Gerade Parteien, die ein antidemokratisches Bewusstsein haben, also das Bündnis Sahra Wagenknecht, Linke und AfD, haben gute Ergebnisse erzielt. Das wundert mich schon. Sie wollen zum Beispiel aus EU und NATO austreten, Sahra Wagenknecht ist eine Putinfreundin“, sagte Klaus Herzog, ehemaliger Oberbürgermeister von Aschaffenburg und langjähriges Mitglied der SPD im Gespräch mit PrimaSonntag. „Bei den Bürgern ist schon das Bewusstsein, dass wir so agiert haben, als könnten wir hier in Deutschland die ganze Welt retten. Der Klimawandel wird große Flüchtlingsströme hervorrufen und da erwarten die Bürger, dass Flüchtlinge besser verteilt werden. Und vor allem wollen sich die Menschen sicher fühlen.“ Das Solinger Attentat hatte zum Sicherheitsgefühl der Bevölkerung zuletzt nicht gerade beigetragen.
Migration ist wichtiges Thema
„Die Parteien der demokratischen Mitte müssen jetzt erkennen, dass der Wahlkampf vorbei ist und zusammenarbeiten. Die Europafeindlichkeit und antidemokratischen Tendenzen von BSW und AfD werden unser Land nicht voranbringen.“ Gerade beim Thema Migration sieht Klaus Herzog Handlungsbedarf. „Wir können nicht alle aufnehmen und es muss darüber nachgedacht werden, wie wir unsere Außengrenzen sicherer machen können.“ Auch Helmut Kaltenhauser, seit 1987 in der FDP und Mitglied des Aschaffenburger Kreistags, hat eine klare Meinung. „Das Wahlergebnis ist ein Abstrafen der Ampel. Die Bürger haben halt das Gefühl, dass es drunter und drüber geht. Die FDP wird als Quertreiber und Verhinderer dargestellt, weil sie sich Entwürfen widersetzt hat. Diese Entwürfe standen aber so von vornherein gar nicht im Koalitionsvertrag“, so Kaltenhauser. „Ich würde mir wünschen, dass die FDP und auch die Kollegen im Bundestag viel stärker eine Position vertreten und nicht warten, was die Mehrheitsmeinung ist.“ Es sei wichtig, dass die FDP wieder zu sich selbst findet und wenn es mit der Ampel nicht funktioniert, sei es besser, einen Schlussstrich zu ziehen. „Ich bin kein Fan davon, jetzt mit Gewalt durchzuhalten. Die Bürger müssen eindeutig erkennen, wofür die FDP steht. Ich brauche keine Kopie der Grünen oder der CDU zu werden. Es ist vielleicht ein Profil da, aber der Bürger sieht’s nicht. Und das muss sich ändern. Einen deutlicheren Warnschuss als dieses Wahlergebnis kann man gar nicht kriegen.“
Soziale Medien beeinflussen junge Wähler
Christine Scheel war viele Jahre für die Grünen im deutschen Bundestag und im bayerischen Landtag. „Dieser Trend ist erschreckend. Dass die AfD so zugelegt hat, obwohl sie sogar einen Spitzenkandidaten hat, den man als Faschisten bezeichnen kann. Wir haben es mit einer Partei zu tun, die zwar mit demokratischen Mitteln Politik macht, aber die Demokratie letztendlich abschaffen will.“ Für besonders gefährlich hält Christine Scheel die Beeinflussung von jungen Menschen durch soziale Medien. „Am Schlimmsten ist für mich, dass die AfD auf Plattformen wie TikTok unglaublich präsent ist. Dass sie Influencer bezahlen und teilweise von Russland unterstützt werden und eine enorme Reichweite haben. Mehr Reichweite, als alle demokratischen Parteien zusammen.“ Gerade in ländlichen Regionen in Thüringen und Sachsen seien es viele Erstwähler gewesen, die die AfD gewählt haben. „Wir müssen uns als demokratische Parteien mit diesem Phänomen viel stärker auseinandersetzen. Wir haben das viel zu lange schleifen lassen, weil wir unterschätzt haben, dass gerade junge Menschen durch soziale Medien sehr leicht zu beeinflussen sind“, so Scheel. „Die schlechte Darstellung der gesamten Ampel nach außen wird hauptsächlich an den Grünen festgemacht. Dieses Bild wird stark unterstützt von der CDU aber auch ganz massiv von der CSU. Markus Söder hat die Grünen zum Hauptgegner erklärt, das ist für mich völlig unverständlich. Noch vor zwei Jahren hat er gesagt, dass sich eine Zusammenarbeit mit den Grünen gut ergänzen würde.“ Sicher ist, dass nicht sicher ist, ob die Ampel eine Zukunft hat und wie sich die politische Stimmung hierzulande in den nächsten Monaten entwickelt.
Das sagen unsere Leser:
Angelika Sapadafora aus Alzenau: „Die reden nur, lassen ihren Worten keine Taten folgen und Deutschland geht meiner Meinung nach immer mehr den Bach runter, wenn ich richtig informiert bin. Das gefällt mir nicht.“
Norbert Schmidt aus Aschaffenburg: „Ich bin überhaupt nicht zufrieden! Der Wahlkampf zum Beispiel: Alle sind gegen die AfD. […] Aber momentan passt überhaupt nichts. Die Preise steigen, hier klemmt‘s, da klemmt‘s. Egal welche Regierung an der Macht ist: Erstmal für die eigenen Leute sorgen. Wir haben Armut hier, wir haben arme Rentner und und und… Natürlich kann man anderen ja auch helfen, wenn was übrig ist.“
Daniel Lezzi aus Hösbach: „Ich finde, das ist ein freies Land. Jeder sollte hier leben - wie er will und wann er will. Deswegen finde ich die AfD nicht gut, dass sie die ganzen Ausländer rausschmeißen wollen. Ich will einfach, dass jeder hier bleibt, der sich integriert.“
Wolfgang Waldner aus Mönchberg: „Unsere Ampel-Regierung? Die bekommen ja wirklich gar nichts auf die Reihe! Weder Migration, noch Pflege noch Gesundheit, Allgemein, Wirtschaft, nichts - gar nichts. Ich weiß nicht, ob wir das noch 13 Monate durchhalten. Früher war das mal so: CDU/CSU für die Wirtschaft und die SPD für Soziales. Aber heute sind die alle sehr vermischt. Die nächste Regierung soll es vernünftig machen.“
Roswitha Ries aus Klingenberg: „Ich würde sagen: Viele Köche verderben den Brei. Da zieht jeder in eine andere Richtung und vor allem machen die unsere Wirtschaft kaputt. Die haben zu wenige Pläne. Das macht mir schon Sorgen. Und die Außenpolitik macht mir auch Sorgen mit dem Asyl für alle Welt. Was zu viel ist, ist zu viel, meiner Meinung nach. Und da müssen jetzt erstmal ordentlich Gesetze her, damit die Ausländer, die hier leben, hier leben können und dass die, die sich nicht gut verhalten, auch dahin gehen, wo sie hergekommen sind. Wir bräuchten wirklich ein politisches Talent mit großem Weitblick und Umsicht und großer Ethik für alle Menschen, die hier leben.“