Leerer Geldbeutel, gebrochenes Herz
KREIS MILTENBERG (acm). Sie gaukeln über das Internet die große Liebe vor, nutzen das aufgebaute Vertrauen dann aus und verlangen Geld - viel Geld. Die Masche von sogenannten „Love-Scammern“ hält auch bei uns am Untermain immer mehr Einzug. Aber eine Frau aus dem Kreis Miltenberg lässt sich davon nicht abschrecken: Kiki* baut absichtlich Kontakt mit den Betrügern auf und lässt sich auf die Masche ein - um dann die Kriminellen hinter Gitter zu bringen.
Bei der jüngeren Generation dürfte der Name Simon Leviv - auch der „Tinder Schwindler“ genannt - schon ein Begriff sein: Ein junger Mann baut über eine Dating-Plattform zahlreiche scheinhafte Beziehungen zu Frauen auf, gaukelt dann eine Notsituation vor, in der er viel Geld benötigt. Das Geld überweisen die Frauen dann aus Liebe - im Glauben, es wieder zurück zu bekommen. Doch so ist es nicht. Um solche Fälle zu verhindern, geht Kiki auf die Jagd - sie schreibt absichtlich mit den Betrügern, um sie in den Knast zu bringen. „Das ist moderner Heiratsschwindel“, erklärt uns Kiki. Seit fünf Jahren macht es sich die 61-Jährige zur Aufgabe, die Betrüger aus dem Netz zu bekommen. Alles fängt damit an, dass ein angeblicher Arzt, Soldat oder Geschäftsmann die Opfer anschreibt - meist in den sozialen Medien oder auch auf Dating-Plattformen. Die Unterhaltung scheint normal, die Betrüger zeigen Interesse. Nach einiger Zeit bauen die Opfer Vertrauen auf. Und dann kommt es dick: Die Betrüger nutzen dieses Vertrauen aus, um von den Opfern Geld zu leihen. „Das geht auch so weit, dass Opfer Kredite aufnehmen. Oder sie verkaufen ihr Haus und sitzen dann auf einmal obdachlos im Kinderzimmer ihrer Enkel“, erzählt uns Kiki sehr betroffen. „Die heftigste Geschichte ist, wenn man mitbekommt, dass ein Opfer Suizid begangen hat.“ Es sind meistens Frauen – die dann so geschädigt sind, Schulden in unfassbarer Höhe haben und den vermeintlichen Seelenverwandten verloren haben, dass sie keinen anderen Ausweg mehr sehen. Wie uns die Polizei auf Nachfrage mitteilt, gab es bei uns am Untermain in den letzten drei Jahren 43 gemeldete Fälle von Liebesbetrug - also hochgerechnet etwa einen pro Monat. Doch das ist auch nur das, was zur Anzeige gebracht wurde - die Dunkelziffer ist weitaus höher.
*Name redaktionell geändert
In die Falle locken
„Das ist ein Business aus Afrika“, erklärt uns die 61-Jährige. Die Hintermänner sind nahezu unmöglich zu kriegen - Kiki ist spezialisiert auf die Helfershelfer. Sie lockt dann etwa Geldabholer zu einem Treffpunkt, informiert die Kripo Aschaffenburg und schlägt dann zu. Mit dieser Taktik hat sie schon für 22 Festnahmen gesorgt - darunter auch von zwei Frauen. „Wen wir da festnehmen, ist nie der Betrüger an sich, der sitzt ja in Afrika. Das sind die Komplizen.“ Einerseits ein großer Erfolg - auf der anderen Seite muss Kiki aber auch privat viel einstecken: „Bei der Zahl derer, die ich habe festnehmen lassen, kann ich gar nicht mehr als ich selbst auftreten. Ich ändere auch ständig meine Telefonnummer und habe verschiedene Perücken.“ Um zu helfen, hat sich Kiki einem Opferverein angeschlossen, der ein Internetforum betreut. Dort können die Profile der Betrüger veröffentlicht werden. Auch gängige Fotos, die Betrüger benutzen - ihr eigenes Gesicht würden sie nämlich niemals zeigen. Claudia* ist eine Bekannte von Kiki. Sie haben sich in diesem Forum kennengelernt, nachdem Claudia übers Ohr gehauen wurde. Ein Mann hat sie in den sozialen Medien angeschrieben. „Ich habe nie geglaubt, dass mir einmal so etwas passieren könnte“, erzählt uns Claudia. „Es hörte sich alles so sympathisch und nett an.“ Über ein Dreivierteljahr schrieben die beiden miteinander. In der Zeit hat Claudia dem Betrüger um die 10.000 Euro überwiesen - im Glauben, das Geld wieder zurückzubekommen. „Das war wie eine Sucht, da kommt man nicht so schnell raus!“ Aber sie hat es geschafft - und ist jetzt dabei, ihren Betrüger warmzuhalten. In der Hoffnung, auch ihn eines Tages endlich hinter Gitter zu bringen.
*Name redaktionell geändert
So können Sie Liebes-Betrüger im Internet erkennen:
- Eine fremde Person schreibt Sie aktiv an und zeigt Interesse.
- Meistens geben sich die Betrüger als wohlhabende Ärzte, Soldaten oder Geschäftsmänner aus.
- In der Unterhaltung kommt irgendwann das Thema Geld ins Spiel.
Dann:
- Niemals einer fremden Person Geld überweisen!
- Das Profil auf der Internetseite www.romancescambaiter.de melden.
- Das Profil blockieren.
- Zur Not auch bei der Polizei anzeigen.