Kahlgründer Kirchenzoff!
MÖMBRIS (jm).In den letzten Jahren sinkt das Ansehen der Kirche beständig weiter in den Keller. Die Zahl der Kirchenaustritte hat auch am Untermain Rekordniveau erreicht. Die Gründe dafür sind weithin bekannt, aber manchmal sind es auch einfach ganz banale Machtspielchen. Das zeigt auch exemplarisch der Fall von Diakon Reinhold Glaser aus Niedersteinbach, der in der Seelsorge tätig war. In PrimaSonntag packt er über die vergangenen Monate und die Konflikte innerhalb des Kirchensystems aus.
„Die Kirche muss mit den Menschen Lösungen finden und nicht nur von oben dirigieren“, fordert Diakon Reinhold Glaser. Sein Konflikt mit dem Pastoralteam Kahlgrund und Teampfarrer Andreas Hartung sorgt seit Monaten für heiße Diskussionen im Mömbriser Raum. „Das ganze Thema hat sich an Gottesdienstzeiten entzündet“, erinnert sich Glaser. „Ich habe immer wieder eine flexiblere Haltung eingefordert.“ Beispielsweise könnten so Beerdigungen nicht mehr nur mittags um genau 14.30 h an Werktagen stattfinden, sondern auch vormittags, es könnte auch wieder Requien bei Beerdigungen geben oder Taufen nicht nur ausschließlich am Sonntag. „Wenn es Angehörige wünschen oder es ihnen wichtig ist.“ Auf seine Anregungen und ständigen Nachfragen erhielt der Niedersteinbacher allerdings nur eines: Strafen der Kirche. „Es bestand leider keinerlei Bereitschaft, mit mir oder anderen darüber zu diskutieren.“
2021 wurde Glaser von Pfarrer Hartung die Teilnahme an der Dienstbesprechung des Pastoralteams verboten, im Februar 2022 folgte dann die erste Diakons-Dienstuntersagung. „Termine wie Taufen, Trauungen, Beerdigungen oder Jubiläums-Gottesdienste wurden mir im Pastoralen Raum Kahlgrund verboten“, erklärt Glaser. Anfang diesen Jahres erreichte der Zoff dann seinen Höhepunkt: Das Bistum Würzburg suspendierte Reinhold Glaser vom Dienst. Grund für diese Beugestrafe seien anhaltende Verstöße gegen die bisherigen Verfügungen des Bischofs. Darüber hinaus wurde ihm die Ausübung seiner Rechte als Mitglied des Pfarrgemeinderates Mittlerer Kahlgrund verboten. „Ich wurde als ordentliches Mitglied gewählt“, erklärt Glaser. Dabei gaben ihm die Gläubigen im Übrigen die meisten Stimmen aller Mitglieder. Nach Satzung steht es nur dem Gremium zu, den Ausschluss eines gewählten Mitgliedes zu beantragen. „Der Bischof hat somit eindeutig den Mitgliedern des Pfarrgemeinderates die satzungsgemäßen Rechte entzogen.“
Kirche muss auf Menschen eingehen
Über mangelnden Rückenwind aus der Bevölkerung kann sich Diakon Glaser nicht beschweren. „Viele Menschen haben schon auf meine Dienstuntersagung mit Empörung reagiert“, berichtet der Niedersteinbacher. „Es ist unverständlich. Immerhin geht es um Dinge, die die Menschen berühren. Die Kirche entfremdet sich.“ Bei unserer Umfrage hören wir aber auch kritische Stimmen Glaser gegenüber, die anonym bleiben wollen. Im letzten Jahr ist ein Bischofswort veröffentlicht worden. Darin wird vor allem die Wichtigkeit der Seelsorge dargestellt. „Es wird ausdrücklich gewünscht, dass die Pastoralen Mitarbeiter der Kirche auf die Wünsche, Anliegen, Sorgen und Nöte der Menschen eingehen“, erklärt Glaser. Er selbst war nur nebenberuflicher Seelsorger in der Kirche. „Mich rufen auch oft Menschen von außerhalb an, die fest in der Kirche beschäftigt sind und unter diesen Strukturen leben müssen“, erzählt Glaser. „Viele danken mir für meinen Einsatz für die Menschlichkeit und fangen teilweise am Telefon an zu weinen.“
„Alle Vermittlungen sind gescheitert“
Auf unsere Nachfrage ließ uns die Diözese Würzburg wissen, dass Diakon Glaser sich wiederholt nicht an Absprachen bezüglich pastoraler Angebote gehalten habe, die im Pastoralteam mehrheitlich mitgetragen wurden. „Das hat eine weitere Zusammenarbeit unmöglich gemacht“, entgegnet Bernhard Schweßinger, Pressesprecher der Diözese Würzburg. „Zur Lösung des Konflikts war ein Mediator eingesetzt. Mehrfache Bemühungen um Vermittlung sind gescheitert.“ Die Tatsache, dass nach der Causa Glaser einige Kirchenmitglieder im Kahlgrund an einen Austritt denken, sei bedauerlich. „Das Bistum Würzburg hat in jüngster Zeit mehrfach versucht, die bestehenden Probleme im Pastoralen Raum Kahlgrund zu lösen“, so Schweßinger. „Bei einem Treffen des Pastoralteams mit den ehrenamtlich Engagierten wurden diese Probleme auch umfassend angesprochen.“ Hierbei sei spürbar gewesen, dass das Pastoralteam und die ehrenamtlich Engagierten im Kahlgrund sich auf einen Weg machen, um die aufgebrochenen Probleme und Missstände zu beheben und neue Perspektiven für die Zukunft zu entwickeln. Pfarrer Andreas Hartung hat auf PrimaSonntag-Nachfrage nicht reagiert.
Wie geht’s weiter?
Reinhold Glaser würde sich einen offeneren Austausch in der Sache wünschen. „Grundsätzlich geht es nicht um mich, es geht um die Seelsorge für die Menschen im Kahlgrund“, erklärt Glaser. „Aber ich würde mir natürlich auch wünschen, dass meine Dienstuntersagung aufgehoben wird.“ Dabei sei er bereit, auf anderer Ebene eine Funktion zu übernehmen, „aber nicht mehr als haupt- oder nebenberuflicher Mitarbeiter der Diözese.“ Glaser hat sich bereits mit einem Anwalt für Kirchenrecht in Verbindung gesetzt, der zumindest die Suspendierung vorläufig vom Tisch bekommen hat. Für den 3. Februar hatte Diakon Glaser bereits vor der Suspendierung einen Gottesdienst in der Rappacher Kapelle vereinbart und wollte diesen auch abhalten. Dieser wurde nun vom Kapellenverein abgesagt. Glaser will auch kein weiteres Öl ins Feuer gießen, denn sein eigentliches Ziel ist es, mit den Kirchenoberen wieder ins Reine zu kommen.
Das sagen die Mömbriser:
Frau Bergmann aus Mömbris:
„Es ist eine Unverschämtheit und nicht gerechtfertigt! Ich ziehe auch für mich daraus Konsequenzen und überlege aus der Kirche auszutreten!“
Walter Gehringer aus Mömbris:
„Ich bin ausgetreten obwohl ich langjähriger aktiver Christ bin. Aber wie die Kirche sich hier verhält, ist unmöglich.“
Natalie Reusing aus Brücken:
„Die Arbeit von Herr Glaser ist so wichtig. Er nimmt einfach Termine wahr, die etwas außer der Zeit sind und geht persönlich auf die Leute ein. Wir würden auch gerne unseren Sohn von ihm taufen lassen, das ist ja jetzt leider nicht mehr möglich.“
Benno Rosenberger aus Gunzenbach:
„Diakon Glaser ist mein Cousin. Zu seiner Suspendierung kann ich nur sagen, dass man nicht versteht, was das Ganze soll.“
Norbert Hein aus Strötzbach:
„Meiner Meinung nach war das nicht ganz richtig, was der Bischof da gemacht hat. Ich bin auf der Seite von Herrn Glaser.“