Ist die Polizei noch Freund und Helfer?
BAYER. UNTERMAIN (jm). Das Thema hat sich in den letzten Jahren zu einem echten Pulverfass entwickelt - Gewalt durch Polizeibeamte. Eine Studie der Goethe-Universität Frankfurt kommt jetzt zu dem Schluss, dass polizeiliche Gewalt nur selten aufgearbeitet wird. Ist das wirklich so? Und wie laufen die internen Ermittlungen bei der Polizei ab?PrimaSonntag hat mit Verantwortlichen und Lesern darüber gesprochen.
„Der Vorwurf, dass es kaum zu Verfahren gegen Polizeibeamte kommt, ist haltlos“, erklärt Michael Siefener, stellvertretender Pressesprecher des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration. „Wir in Bayern überprüfen jeden Verdacht akribisch“. Kommt es zu Vorwürfen gegen Mitarbeiter, führt aus Neutralitätsgründen ein anderer Polizeiverband die Ermittlungen. Alle entsprechenden Strafanzeigen werden nach Abschluss der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zur weiteren Entscheidung vorgelegt. „Für Bürger bestehen mehrere Möglichkeiten, ihre Anliegen vorzubringen“, berichtet Siefener. „Sie können ihre Anzeige bei der Dienststelle vorbringen oder sich an den Bayerischen Landtag bzw. den Bürgerbeauftragten der Staatsregierung wenden.“ Die niedrige Zahl der Anklageerhebungen zeige in erster Linie, dass das Gros der Vorwürfe unbegründet sei. „Es gibt überhaupt keinen Grund, an der Unabhängigkeit der Justiz in Deutschland und in Bayern zu zweifeln“, plädiert Siefener. „ Es wird jedenfalls der hervorragenden Arbeit der Polizei nicht gerecht, den Eindruck zu erwecken, sie sei gewalttätig und entsprechende Fälle würden unter den Teppich gekehrt.“
Keine Anklageerhebung
in 52 Verfahren
Die durch das Bayerische Landeskriminalamt jährlich erstellte Sonderauswertung zu internen Ermittlungen weist für das Jahr 2022 bayernweit 1.353 Vorgänge aus, bei denen gegen Polizeibeschäftigte Ermittlungen geführt worden sind. Hiervon entfallen 84 Fälle auf den örtlichen Zuständigkeitsbereich des gesamten Polizeipräsidiums Unterfranken. „ Diese Ermittlungsvorgänge beinhalten allerdings nicht nur die thematisierte Polizeigewalt, die sich deliktisch in erster Linie im Bereich der Körperverletzung im Amt abbilden lässt.“ Diese Delikte stellen bayernweit gesehen rund 28 Prozent des Gesamtaufkommens an den internen Ermittlungen dar. Laut Staatsanwaltschaft Aschaffenburg waren in den Jahren 2021 und 2022 52 Verfahren anhängig, die sich gegen Polizeibeamte im Dienst richteten. Zu einer Anklageerhebung ist es in keinem Fall gekommen. Lediglich in vier Fällen wurde der Erlass eines Strafbefehls beantragt, wovon zwei Fälle rechtskräftig wurden, ein Fall mit einem Freispruch endete und ein Verfahren sich in der Berufungsinstanz befindet. In den übrigen 48 Fällen wurden die Ermittlungsverfahren eingestellt, in sehr vielen Fällen wegen erwiesener Unschuld. Erst vor einigen Tagen hatte ein Fall bei einer Gedenkveranstaltung in München für die Opfer des Anschlags von Hanau für Aufsehen gesorgt. Gegen zwei Beschuldigte wurde wegen des Vorwurfs der Körperverletzung im Amt ermittelt. Alle Ermittlungsfälle sind jetzt von der Staatsanwaltschaft eingestellt worden. Dagegen hat am Amtsgericht München der Prozess gegen einen Mann begonnen, der einem Polizisten bei dieser Demonstration auf den Helm geschlagen haben soll. Der 28-Jährige, der angibt, als ehrenamtlicher Sanitäter bei der Veranstaltung dabei gewesen zu sein, bestreitet die Vorwürfe.
„Verrohung der Gesellschaft“
Auch Thorsten Grimm, Bezirksvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft Unterfranken, weist die aktuelle Diskussion strikt zurück - und sieht sogar die genaue Gegenbewegung. „Die Gewalt gegen Polizeibeamte nimmt zu.“ Mit fast 3.000 verletzten Polizeikollegen sei 2020 der Höchststand gewesen. „Auch die Bedrohungen, teilweise auch gegen die eigene Familie, nehmen zu.“ Aus Grimms Sicht sind die Gründe für diese Zunahme sehr vielschichtig. „Eine Hauptursache ist Alkohol und sinkende Hemmschwellen“, erklärt der Bezirksvorsitzende. „Wir beobachten allerdings auch insgesamt eine Verrohung der Gesellschaft und der Sprache.“ Die aktuelle Forderung nach einer übergeordneten Stelle, die über solche Fälle entscheiden soll, lehnt die Polizeigewerkschaft kategorisch ab. „Genau dafür haben wir schon entsprechende Instanzen“, erklärt Grimm. „Wir sehen keine Notwendigkeit für eine Parallel-Justiz, die sich separat um Polizisten kümmert.“ Siefener merkt an, dass es eine solche Stelle mit unabhängigen Richtern sogar schon gäbe. „Die Einrichtung eines Polizeibeauftragten ist nicht erforderlich.“ Abschließend bleibt zu hoffen, dass sich das angespannte Verhältnis zwischen Gesellschaft und Polizei wieder verbessert. Denn nur ein Zusammenspiel aus Freund und Helfer mit aufmerksamen Bürgern garantiert ein sicheres Zusammenleben.
Das sagen unsere Leser:
Mohamed Rashif aus Aschaffenburg
„Wenn ich nicht super deutsch rede, wird es für mich schon problematisch. Ich wurde bei Einsätzen auch schon geschubst. In Teilen ist die Polizei aus meiner Sicht rassistisch.“
Justin Oberle aus Schweinheim
„Also ich persönlich habe eine komplett weiße Weste. Solange ich die mit Respekt behandle, behandeln die mich auch mit Respekt.“
Garbiele Kemnitzer aus Amorbach
„Erfahrungen mit Polizeigewalt habe ich noch nicht gemacht. Als ich letztens die Polizei anrufen musste, war sie sehr hilfsbereit und entgegenkommend.“
Susanne Scheibler aus Aschaffenburg
„Ich versuche sie als Freund und Helfer zu sehen, doch ich kann mir vorstellen, dass es auch andere Facetten gibt. Also, dass Menschen z.B. mit Migrationshintergrund nicht so behandelt werden, wie sie sollten.“
Horst aus Miltenberg
„Die Polizei hilft uns Menschen. Ich finde es ein Unding, wenn Kriminelle die Polizei oder auch Rettungskräfte angreifen. Das habe ich selbst mal hautnah erlebt, da wurden Polizisten mit Pflastersteinen beworfen.“
Selma Mattern aus Aschaffenburg
„Ich fühle mich durch die Polizei sehr gut beschützt. Ganz klar Freund und Helfer!“