„Ich muss über Leben und Tod entscheiden“
KLINGENBERG-RÖLLFELD (jm). Es ist der vielleicht älteste Beruf der Welt – die Jäger. Wir alle kennen sie, aber nur die wenigsten wissen, was alles dazu gehört. PrimaSonntag hat mit dem Röllfelder René Wolf über seine Aufgaben und Vorurteile als Jäger gesprochen.
„Man sitzt auf dem Hochsitz, es ist noch finster. Die Sonne geht langsam auf und die Vögel fangen an zu zwitschern. Rehwild und Hasen laufen über die Felder. Es ist ein tolles Erlebnis zu sehen, wie die Natur aufwacht “, schwärmt René Wolf. Mit dem Jagen kam der Röllfelder erstmals über das Internet in Kontakt. Nachdem er über zwei Jahre einen Freund bei der Jagd begleitet hatte, meldete sich der 35-Jährige schließlich zum Jagdschein an. „Ich war gleich Feuer und Flamme.“ Inzwischen ist René Wolf seit drei Jahren Jäger in Röllfeld und muss sich um zahlreiche Aufgaben kümmern. „Neben dem tatsächlichen Schießen muss man sich um die Hege kümmern. Das ist auch gesetzlich verankert.“ Das beschreibt die Gesamtheit der Maßnahmen zur Pflege und zum Schutz von Pflanzen und Tieren, besonders von Wild und Fischen. „Beispielsweise müssen wir im Winter in Notzeiten dafür sorgen, dass unser Wild genügend Futter findet“, erklärt der Röllfelder. „Oder in trockenen Sommern kommt es vor, dass Wasserstellen austrocknen.“ Dazu gehört aber natürlich auch Raubwild-Management. „Das bedeutet, dass man das Raubwild dem Tierbestand angepasst halten muss.“
Tieren Leid ersparen
Vor knapp einer Woche wurde René Wolf zu einem Weidezaun gerufen. Dort fand er ein Reh, das feststeckte. „Wahrscheinlich war das Tier schon seit mehreren Stunden, darin gefangen und dabei sich selbst zu strangulieren.“ Als Jäger muss der 35-Jährige die Entscheidung treffen, ob das Tier im Nachgang überlebensfähig ist oder nicht. „Ich entschied, dass die Verletzungen ein Überleben des Tieres zuließen. Also habe es freigeschnitten und den Zaun zerstört. Das war mir egal“, erinnert sich der Röllfelder. Nachdem das Reh frei war, zog sich der Jäger zurück und konnte glücklicherweise beobachten, wie es sich wieder berappelte. „Das hat mich sehr gefreut. Zumal es eine Geiß war, also hatte das Tier auch sicherlich Kitze.“ Ein anderer Vorfall einige Wochen zuvor endete allerdings nicht so glimpflich. Dabei wurde René Wolf zu einem Wildunfall gerufen. Ein Autofahrer hatte einen Rehbock erwischt und fuhr einfach weiter. Erst ein dahinter fahrendes Fahrzeug kam an der Unfallstelle an und fand den Rehbock, der sich mit gebrochenem Lauf und inneren Verletzungen noch minutenlang in eine Wiese schleppte. René Wolf fand den Rehbock zum Glück sofort, allerdings konnte er das Tier nur noch erlösen. „ Es ist kein Kavaliersdelikt, hier Fahrerflucht zu begehen“, ärgert sich der Jäger. „Ein Anruf bei der Polizei reicht aus und man kann dem Tier einiges an Leid ersparen.“
„Wie viele hast du
denn schon getötet?“
René Wolf sieht sich in seiner Tätigkeit aber auch mit vielen Vorurteilen konfrontiert. „Das unangenehmste Vorurteil ist, dass ich die Tiere nur schützen würde, um sie später zu schießen. Oder: Wie viele hast du denn dieses Jahr schon getötet statt gerettet?“ Der Röllfelder versucht mittlerweile, der Konfrontation aus dem Weg zu gehen. „Jäger haben in großen Teilen der Bevölkerung den Ruf, nur da zu sein um Tiere tot zu schießen. Das ist aber nicht unser Ziel. Wir versuchen nachhaltig, die Jagd zu betreiben und setzen uns für den Naturschutz ein.“ Dazu bekommen die Jäger Abschusspläne vorgegeben, die in den letzten Jahren auch angehoben wurden. „Es gibt ganz empfindliche Geldstrafen, bis hin zum Verlust des Reviers, wenn wir unsere Pläne nicht einhalten.“ Nach René Wolfs Ansicht ist seine Zunft für das Gleichgewicht da. „Sowohl durch den Abschuss als auch durch Hegemaßnahmen.“