Gefahr oder Chance für unseren Fußballnachwuchs?
BAYER.UNTERMAIN (ml/tp). Schneller, höher, weiter - auf kaum einen Sport trifft das so zu wie auf den Fußball. Jeder Verein versucht, junge Talente anzuwerben, um nicht DAS Megatalent der neuen Generation zu verpassen. Aber welche Auswirkungen hat das für kleinere Vereine, auf den Kader, die jungen Spieler? Genau dieser Frage ist PrimaSonntag nachgegangen und hat mit Experten über den Trend der frühen Wechsel, über Leistungszentren und Jugendförderung gesprochen.
In Sachen Jugendförderung gehen die Meinungen meistens nur in zwei Richtungen. Entweder man ist für die frühen Wechsel der jungen Spieler oder eben dagegen. Probleme, die für die kleineren Vereine mit dem Abgang von wichtigen Spielern einhergehen, werden allerdings oft kaum beachtet, wie die Zerstörung von Teamgefügen oder der hohe Leistungsdruck für die noch jungen Kicker. Andererseits bieten Nachwuchsleistungszentren die optimale Umgebung für junge Spieler. Oft wird der Schulalltag an die Trainingszeiten angepasst oder spezifisches Training für die Stärken und Schwächen vorbereitet.
Die Vorteile für Spieler und Vereine
Christian Schönig ist seit 18 Jahren Referent für den DFB und seit zwölf Jahren für die Eliteschulen des Fußballs in Deutschland verantwortlich. Davor war der 48-Jährige selbst aktiver Spieler und Trainer bei uns in der Region, unter anderem bei Bayern Alzenau, Viktoria Aschaffenburg und Alemannia Haibach. „Ich sehe die ganze Sache nicht so kritisch wie der ein oder andere“, sagt er uns. „Es stellt sich immer die Frage, welche Ambitionen hat ein kleinerer Amateurverein oder eben der Spieler selbst. Wenn ein Verein seine zwei besten Spieler verliert, wird er logischerweise nicht besser dadurch, aber will ein Dorfverein wirklich jedes Jahr aufsteigen?“ Für ihn ist es der ganz normale Weg für einen begabten Spieler, wenn der bei seinem Dorfverein anfängt und sich dann Stück für Stück hocharbeitet. Hier nimmt er seinen Sohn als Beispiel: „Er hat bei Großkrotzenburg angefangen und sich über Alzenau bis Aschaffenburg hochgearbeitet.“ Allerdings müssen die Spieler den richtigen Moment für einen Wechsel abpassen: „Man sollte es nicht übertreiben und zu früh in ein Nachwuchsleitungszentrum eines großen Vereins wechseln. Ich persönlich finde, man sollte relativ lange in einem kleineren oder mittleren Verein bleiben, um sich zu entwickeln und um dann im richtigen Moment den richtigen Schritt zu gehen.“
Die Probleme der Kleinen
Auch Andreas Trageser ist ein Fan von Jugendarbeit. Der Vorsitzende von Bayern Alzenau hat den Jahrgang 2005 von der F- bis in die A-Jugend geführt und ist aktuell interimsweise Jugendleiter. Er sieht die Thematik rund um die Nachwuchsleistungszentren (NLZ) aber ein bisschen kritischer als Schönig: „So wie ich das auch bei uns im Verein mitbekomme, werben die großen Vereine der Region junge Talente meist schon in der U12 ab. Meistens handelt es sich dabei dann auch noch um Offensivspieler, die teilweise in andere Positionen gesteckt werden. So geht gleichzeitig dem DFB und den kleineren Vereinen viel Qualität verloren.“ Außerdem würde das gesamte Teamgefüge unter den Abgängen leiden. „Den ‚Halbguten‘ fehlen die Besten, an denen sie sich messen und hochziehen können, und teilweise bricht eine ganze Mannschaft zusammen, löst sich vielleicht sogar auf“, beklagt der 61-Jährige. Auch Bayern Alzenau war in der Vergangenheit durch Mundpropaganda hierfür kritisiert worden. Allerdings verteidigt der erste Vorsitzende seinen Verein: „Wir haben gar nicht die Kapazität zum Scouten bei kleineren Vereinen. Da fehlen uns schlichtweg die Ehrenämtler zu. Allerdings werden uns jede Saison zwischen 40 und 100 Spieler von ihren Eltern angeboten.“ Ein Zusammenspiel aus Leistungsdruck, motivierten Kindern mit großen Träumen, ehrgeizigen Eltern, aber natürlich auch dem Ziel der Verantwortlichen, national und international die Besten ausbilden zu können – die Diskussion um das Geschäft mit dem Lieblingssport der Deutschen wird wohl nie enden.