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„Es ist das reinste Kasperle-Theater“

13.04.2025, 07:30 Uhr in PrimaSonntag
Collage Zollkrieg

BAYER. UNTERMAIN/USA (ps/mg)Es scheint fast so, als würde US-Präsident Donald Trump sich morgens fragen, mit welchem Dekret er es heute in die weltweite Presse schaffen kann. Erst hagelt es Zölle, die international für Aufruhr sorgen. Vor wenigen Tagen dann die Ankündigung, die neuen Zölle für 90 Tage auszusetzen. Weltweit herrscht große Besorgnis - die globalen Handelsbeziehungen leiden und auch hier bei uns sind die Auswirkungen des Zoll-Wirrwarrs zu spüren. PrimaSonntag hat sich bei den Untermain-Unternehmen und Menschen in der Region umgehört, um zu erfahren, was der US-„Zollkrieg“ mit ihnen macht.

Die Unsicherheit, die Trump mit seiner Wirtschaftspolitik schürt, ist auch am Bayerischen Untermain zu spüren. Zahlreiche bedeutende Unternehmen, die international vernetzt sind, haben sich hier in der Region angesiedelt. „Die geplanten Einfuhrzölle von 20 Prozent für Waren aus der EU bedeuten einen Rückschlag für die exportorientierten Unternehmen am Bayerischen Untermain. Schließlich sind die USA für unsere Unternehmen das Exportland Nummer eins“, betont IHK-Hauptgeschäftsführer Andreas Freundt. Insbesondere bedeutende Hersteller von Produktions-, Verfahrens-, Mess- und Automatisierungstechnik sowie Medizintechnik seien betroffen. Aber nicht nur Unternehmen sind betroffen: Die horrenden Zollgebühren führten zu einem Einsturz der Aktienkurse, viele Anleger sind besorgt.

„Krisen gehören einfach dazu“
„Trump macht sehr spontan sehr unterschiedliche Äußerungen, geht sehr provokativ vor. Das verunsichert alle Beteiligten weltweit“, erzählt Hartwig Webersinke von der TH Aschaffenburg. Er ist Dekan der Fakultät Wirtschaft und Recht und hat einen Lehrstuhl für Finanzen. „Wir müssen dieses Vorgehen so hinnehmen. Viele Unternehmen werden erstmal nichts tun. Das behindert Investitionen und führt zu einem geringeren Wirtschaftswachstum und weniger Wohlstand.“ Mit den horrenden Zollgebühren kam ein Einbruch des weltweiten Aktienmarktes, der bei vielen Anlegern Besorgnis ausgelöst hat. „Die Aktienkurse schwanken aktuell enorm. Rauf und runter, tausend Punkte im DAX in wenigen Stunden, das schafft kein Vertrauen und viele Anleger ziehen sich zurück.“ Hartwig Webersinke rät dazu, der Situation besonnen zu begegnen. „Es gehört am Aktienmarkt dazu. Alle Jahre wieder haben wir neue Krisen und neue Schocks und die Krise jetzt heißt Donald Trump. Die langfristige Aktienanlage macht unverändert Sinn. Als Langfrist-Anleger darf ich mich nicht beirren lassen.“

Erstmal abwarten
Der Automobilzulieferer SAF-HOLLAND stellt unter anderem Achsen für LKW-Anhänger sowie Federungssysteme, Sattel- und Anhängerkupplungen her und hat seinen Sitz in Bessenbach. „Aktuell ist die Situation rund um die Zollthematik sehr komplex und hat das Potenzial sich ständig zu ändern“, teilt das Unternehmen auf PrimaSonntag-Nachfrage mit. „Grundsätzlich haben wir in Nordamerika 13 Produktionsstätten: in den Vereinigten Staaten, in Mexiko und in Kanada. Wir haben also die Möglichkeit, flexibel zu handeln und, wenn notwendig, die Produktion oder auch Lieferketten so anzupassen, dass Zölle weitestgehend vermieden werden können.“ Auch Alexander Wiegand, Geschäftsführer von WIKA in Klingenberg, bleibt erstmal zuversichtlich. „Man darf nicht vergessen: Unsere größte Sorge ist gar nicht so sehr, wie das unser direktes Geschäft beeinflusst. Es könnte sogar sein, dass wir da eher positive Effekte haben, weil die EU mit 20 Prozent am wenigsten Zölle im Vergleich bezahlen muss und wir auf dem amerikanischen Markt natürlich auch mit chinesischen Unternehmen im Wettbewerb stehen.“ Was ihm natürlich Sorgen mache, ist, dass die hohen Zölle zu einer generellen Abkühlung der Konjunktur führen und dass das Geschäft vieler Kunden leidet.

„Kühlen Kopf bewahren“
Auch die Aschaffenburger Firma Linde Material Handling lässt sich nicht aus der Fassung bringen. „In diesen unbeständigen Zeiten fokussieren wir uns auf die Dinge, die wir kontrollieren können“, teilt das Unternehmen mit. Und das sollten auch die Anleger tun, rät Jürgen Schäfer, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Aschaffenburg Miltenberg. „Viel hilfreicher sind ein kühler Kopf, ein klarer Plan - und die regelmäßige Überprüfung, ob die eigene Anlagestrategie noch zur persönlichen Lebenssituation passt.“ Auch die Aschaffenburger Raiffeisen-Volksbank rät dazu, mit einem Bankberater zu sprechen, um der Situation bestens begegnen zu können. Unsere Leser halten wenig vom Trump’schen Vorgehen. Martin Reutner aus Schweinheim äußert Unbehangen: „Ich habe die Sorge, dass die traditionelle Freundschaft zwischen Deutschland und den USA gefährdet ist. Da wäre nicht nur Trump Schuld daran, sondern auch die Deutschen, die sich von ihm ins Bockshorn jagen lassen.“. Pia Müller aus Goldbach findet klare Worte: „Wie ein Kasperle-Theater finde ich das. Einmal Hü, einmal Hott. Erst die Zölle erheben, jetzt hat er es wieder ausgesetzt, das ist einfach nur lachhaft.“ Vorerst haben Weltwirtschaft und unsere regionalen Unternehmen eine kleine Verschnaufpause, wie es nach Ablauf der Zeit weitergeht, ist völlig unklar. Erstmal bleibt wohl nur noch eine Möglichkeit: Einen kühlen Kopf bewahren.