Drohen uns rechte "Richter"?
BAYER. UNTERMAIN (mz/jm). Es sind Menschen ohne Jura-Studium, die Gerichtsurteile trotzdem mitbestimmen dürfen - Schöffen, also ehrenamtliche Richter. In diesem Frühjahr werden wieder Menschen in dieses verantwortungsvolle Amt gewählt. Doch nun mehren sich die Sorgen, dass das Amt unterlaufen werden könnte - und zwar von Rechtsaußen. Hintergrund sind Aufrufe aus dem rechten Spektrum für das Amt zu kandidieren. Haben an unseren Gerichten bald Extremisten das Sagen und wie wollen die Kommunen das verhindern?
„Schöffen sind Laienrichter“, erklärt Michelle Noé aus Mespelbrunn. „Im Endeffekt dürfen sie im Prozess all das, was ein Richter auch tut.“ Sie ist selbst seit 2019 als Schöffin tätig. „Man muss kein Jura studiert haben, man bewirbt sich für dieses Ehrenamt.“ Am Prozesstag sitzen die Schöffen, genau wie die Berufsrichter, in der ersten Reihe. „Man befragt Zeugen, angeklagte Personen und fällt am Ende dann auch ein Urteil“, berichtet Noé. Die Bewerbung erfolgte über einen zweiseitigen Bewerbungsbogen. „Dabei geht es aber hauptsächlich um die Personalien.“ Die Bewerbung wird dann bei den Kommunen abgegeben und man kommt in einen Lostopf für das Schöffenamt. Aber wird dabei auch der Hintergrund der Personen gecheckt? PrimaSonntag sieht sich den Bewerbungsbogen an. Neben Fragen zu Vorstrafen und einer möglichen DDR-Vergangenheit gibt es lediglich ein Feld, bei dem der zukünftige Schöffe seine Bewerbung begründen kann - diese Angabe ist allerdings freiwillig. „Was man für Motivationsgründe hat oder was man tief im Herzen mit dem Amt machen will, das weiß kein Mensch“, erklärt die Mespelbrunnerin.
„Justiz nicht den
Linken überlassen“
Bereits seit einigen Wochen kursieren in den Medien Berichte über eine mögliche Unterwanderung der Justiz durch Personen aus dem rechten Spektrum. Auf der Facebook-Seite „Freie Sachsen“ wird das Schöffenamt beworben, „um die Justiz nicht den linken Hobby-Richtern zu überlassen“. Das sei eine Möglichkeit, die Justiz zu korrigieren oder „den grünen Richter zu überstimmen, der bei Neubürgern wieder einmal kulturellen Strafrabatt geben will.“ Die rechtsextreme Kleinstpartei „Freie Sachsen“ wird bundesweit vom Verfassungsschutz beobachtet. Nach PrimaSonntag-Informationen werden Beiträge der Partei auch häufig in die lokalen Telegramm-Gruppen aus der rechten Ecke gepostet. Dr. Sabine Lange ist Direktorin am Aschaffenburger Amtsgericht und Schöffenrichterin. „Die Vorschlagsliste der Kommunen soll alle Gruppen der Bevölkerung nach Geschlecht, Alter, Beruf und sozialer Stellung angemessen berücksichtigen“, erklärt Dr. Lange. Sie habe in ihrer
zehnjährigen Tätigkeit keine schlechten Erfahrungen mit Schöffen gemacht. „Ich halte es deshalb für zu weitgehend, die Schöffen einen Eid oder ähnliches unterschreiben zu lassen, dass man sie vom Verfassungsschutz beobachten darf.
Keine politische
Überprüfung der Schöffen
Doch was tun Städte und Kommunen gegen eine Unterwanderung des Schöffenamtes? In Klingenberg stand auf der Sitzung des Stadtrates vergangene Woche auch die Schöffenwahl auf der Tagesordnung. Die Frage, welche Bewerber an das Landratsamt weitergegeben werden, nahm nicht viel Zeit in Anspruch. Die ersten drei Bewerber waren die Glücklichen. Auf die Frage eines Stadtrates, ob dies denn der richtige Weg sei, erwiderte ein anderes Mitglied: „Was ist denn die Alternative?“ Damit war die Diskussion beendet. Und was denkt Bürgermeister Ralf Reichwein? „Im Prinzip dürfen wir uns bei der Auswahl gar nicht äußern. Wir werden die Leute nach Eingang der Bewerbung weitermelden, zumindest die, die die Kriterien erfüllen. Wie es weitergeht, entscheiden dann aber andere.“ Nicht alle, die weitergemeldet werden, sind dann automatisch als Schöffen gewählt. Für viele Gemeinden zählt die Erfüllung der Standard-Kriterien, also z.B. das richtige Alter. Die politische Gesinnung gehört nicht dazu.
„Urteil aus der Gesellschaft“
„Im Namen des Volkes ergeht folgendes Urteil. Genau das repräsentieren die Schöffen“, erklärt Michelle Noé. „Es geht darum, dass Menschen aus der Gesellschaft da ihren gesunden Menschenverstand mit einbringen. Das ist aus meiner Sicht ganz wichtig.“ Menschen, die aus einem anderen gesellschaftlichen Milieu kommen, würden Sachverhalte ganz anders sehen als beispielsweise ein Berufsrichter. Was die Schöffenwahl für die Amtsperiode 2024 bis 2028 bringt, wird nur die Zukunft wissen. Nur so viel ist sicher: Sie steht jetzt schon unter einem schlechten Stern.