„Die Ratten tanzen auf den Straßen!“
ELSENFELD (ml./jg.). Gestank meterweit, Müll in der ganzen Siedlung und in der Mitte, direkt vor dem höchsten Haus, ein riesiger Berg aus gelben Säcken. Der Plastikmüll hätte eigentlich bereits Anfang Februar abgeholt werden sollen. Der Größe des Berges zufolge ist das seit mindestens Mitte Dezember allerdings nicht passiert.
„Die Siedlung war früher picobello“, erzählt uns Orhan Özdemir, Bewohner der Siedlung, mit Tränen in den Augen. Der Frührentner hat von seinem Balkon im Nachbarhaus einen perfekten Blick auf den großen Berg in der Mitte. Aufgetürmt hat sich der Müllhaufen vor einem 54-Einheiten-Haus, das fast ausschließlich von Geflüchteten bewohnt wird. Der 58-Jährige ist seit 1969 in Deutschland und bedauert den Zustand der Siedlung. „Es tut mir in der Seele weh, wenn ich sehe, wie es hier heute aussieht. Ich bin hier aufgewachsen und seitdem hat sich der Zustand deutlich verschlechtert.“ Früher gab es eine gepflegte Grünanlage und einen Hausmeister, wie er sagt. „Das Dilemma ist, dass wir mittlerweile jetzt den dritten Inhaber haben und im März wechselt er wieder. Jeder ist immer froh drum, die Obhut über die Gebäude wieder los zu sein.“
„Ich mache den
Menschen keinen Vorwurf“
Für Özdemir sind nicht die Menschen im Haus das Problem. Immerhin entsorgen sie ihren Müll an dem dafür vorgesehenen Platz und lagern ihn nicht an einem anderen Ort ab. „Ich kann verstehen, wenn der Müllentsorger sagt, dass er die Tüten aufgrund von schlechter Mülltrennung liegen lässt. Aber dann muss man es den Menschen auch erklären.“ Laut ihm ist Mülltrennung für die Geflüchteten etwas komplett Neues. „Ich mache den Menschen keinen Vorwurf. Die werden hier einfach reingepfercht und dann sich selbst überlassen.“ In den meisten Fällen kommt dann ein Unternehmen, das die Säcke als Restmüll abholt. „Die Kosten werden dann selbstverständlich an die Bewohner abgedrückt.“ Das führt jetzt aber dazu, dass ein Nachbar von Özdemir zum Beispiel zum Jahresende 3.100 Euro Nachzahlungen leisten musste. „Wenn sie nicht erklärt bekommen, was sie verkehrt machen, dann können sie auch nichts ändern und verstehen auch nicht, was sie falsch machen.“
Verzweifelte Versuche
Den einzigen Weg, den Orhan Özdemir für sich sah, war ein Anruf beim Landratsamt Miltenberg. „Ich habe es wirklich oft versucht und als ich durchkam, wurde mir immer gesagt, dass die Säcke in den nächsten Tagen wegkommen.“ Auf PrimaSonntag-Anfrage antwortete das Landratsamt, dass die Plastiksäcke „aufgrund falscher Befüllung (…) nicht vollständig eigesammelt werden konnten.“ Hiernach wurde die Hausverwaltung informiert und darauf aufmerksam gemacht, dass eine kostenpflichtige Restmüllabholung notwendig ist. Auf die gab es bisher noch keine Rückmeldung. Özdemir hofft, dass sich mit einer neuen Hausverwaltung ab März einiges ändert. „So wie das jetzt läuft kann es nicht bleiben. Aber vielleicht kommt endlich mal jemand, der diese Siedlung wieder auf Vordermann bringt.“ Außer ihm äußern sich nur wenige und wenn, dann unter vorgehaltener Hand. „Ich weiß, dass mich hier immer alle beobachten, wenn ich Bilder mache, wie es hier aussieht. Sagen würde hier aber niemand irgendwas.“