Die Party-Tempel von früher
BAYER. UNTERMAIN (mg/acm). Die Nächte am Bayerischen Untermain hatten in den 80er und 90er Jahren ihren ganz eigenen Rhythmus. Diskotheken prägten eine ganze Generation von Nachtschwärmern. Heute lebt die Erinnerung an wilde Partys, schräge Events und unvergessliche Abende nur noch in den Geschichten derer weiter, die dabei waren. Was machte diese Clubs so besonders? Und warum bleiben sie auch Jahre nach ihrer Schließung unvergessen? Wir werfen einen Blick zurück auf die Disco-Kultur, die das Nachtleben der Region revolutionierte.
Papillon in Aschaffenburg
Die Aschaffenburger Bodelschwingstraße war in den 80ern die Anlaufstelle Nr.1 für viele Partygänger: Im ersten Stock wurde im Papillon nächtelang getanzt. Helmut Kunkel, der den Kult-Club 18 Jahre lang führte, hat ihn geprägt wie kein anderer. Ursprünglich 1970 als Tanzcafé eröffnet, machte der damals 24-jährige Helmut ab 1978 einen Hotspot aus dem Papillon, der bis heute in Geschichten weiterlebt. „Anfangs durfte jeder rein“, erinnert sich Helmut. Doch bald zog er klare Grenzen: „Keine Turnschuhe mehr - ich wollte ein gepflegtes Publikum.“ Ordnung und Benehmen hatten für ihn oberste Priorität. So entstand ein besonderer Mix, in dem Großverdiener neben Arbeitslosen feierten, ohne dass jemand bevorzugt wurde. „Jeder war gleich, und das war mir wichtig.“ Das Papillon war bekannt für seine ausgefallenen Events. Karaoke-Abende, MissBusen-Wahlen, Hypnose-Shows und Men-Strips zogen die Massen an. Große Namen waren Dauergäste: Rudi Völler, Mickie Krause und sogar die deutsche Handball-Nationalmannschaft. Humorvolle Anekdoten, wie die mit Otto Waalkes, der zunächst wegen seiner Turnschuhe abgewiesen wurde, zeigen die Bodenständigkeit des Clubs. „Wir haben ihn einfach so genommen, wie er war“, so Helmut. Für ihn zählte vor allem eines: Respekt. „Es ging immer um Benehmen. Jeder sollte jeden respektieren.“ Nur an Fasching sah das anders aus: „Da war alles egal - Hochbetrieb ohne Ende und danach habe ich aufgeräumt.“ Die Musik passte sich stets dem Wandel der Zeit an. „Bei uns lief immer das, was gerade angesagt war. Es war nur Action.“ Besonders an Heiligabend setzte der "Papillon-Helmut" ein Zeichen: „Ich hatte die Ideen den Club zu öffnen und meine Mutter sagte, ich soll es machen, damit Leute, die nicht so ein schönes Zuhause haben, einen Ort finden." Das Papillon war ein Ort für alle, voller Geschichten und unvergesslicher Nächte. Mit Kunkels Leidenschaft und Herzblut wurde das Papillon zu einer Legende der regionalen Clubszene.
Aladdins in Goldbach
Im Oktober 1979 öffnete die Diskothek Aladdins in Goldbach ihre Pforten – ein Ort, der die Clubszene der Region prägte wie kaum ein anderer. Auf 1.400 Quadratmetern und über zwei Etagen setzte das Aladdins damals deutschlandweit Maßstäbe. Der orientalische Stil des Clubs, mit Sternenhimmel, Wasserspielen und Marmorflächen, verlieh ihm ein einzigartiges Ambiente. Betreiber Norbert Siebert erinnert sich: „Die Idee war, einen orientalischen Marktplatz zu schaffen - mit Kupferkesseln und Neonröhren, die moderne Akzente setzten.“ Das Aladdins wurde schnell zum Treffpunkt für Partygänger aus einem Umkreis von über 100 Kilometern. Gäste reisten aus Würzburg und Frankfurt an, um die legendäre Atmosphäre und die hochkarätigen DJs zu erleben. Einer der bekanntesten Namen war Mike Staab, der nicht nur als Resident-DJ für Stimmung sorgte, sondern später auch als Musikproduzent Erfolge feierte. „Sven Väth war zum Beispiel mal Garderobenjunge bei uns. Der konnte damals schon die Menschen um sich scharen“, so Siebert über die DJ-Legende. Neben den DJs sorgten auch prominente Gäste für Glamour. Stars wie Thomas Gottschalk, Günther Jauch und Schlagergrößen wie Jürgen Drews und Marianne Rosenberg zählten zu den Besuchern. Besonders beliebt waren die aufwendig inszenierten Events: Bei der legendären Beachparty wurden acht Tonnen Sand in den Club geschüttet. Besucher kamen in Badehose und Bikini, ausgestattet mit Wasserpistolen, und feierten ausgelassen. Doch auch Horror-Partys mit makabrer Deko aus künstlichem Blut und Plastik-Innereien machten das Aladdins unvergesslich. „Damals hat noch niemand an Halloween gedacht. Wir waren unserer Zeit einfach voraus.“ Nach über einem Jahrzehnt endete die Ära des Aladdins. Der Grund: Ein verändertes Freizeitverhalten und die Konkurrenz der Szene. „Die Leute hatten keinen Grund mehr, extra nach Aschaffenburg zu kommen. Es war einfach nicht mehr das Gleiche“, resümiert Siebert. Doch die Erinnerungen an wilde Nächte und unvergessliche Events bleiben - und machen das Aladdins zu einem Stück regionaler Clubgeschichte.
Boogie Woogie in Schöllkrippen
In den 90er Jahren wurde der Kahlgrund zum Partyzentrum am Untermain. Mitten in Schöllkrippen eröffnete 1990 das Brauhaus Barbarossa. Hier hat man sich dann mit guten Freunden getroffen, ein paar Bierchen getrunken und dann ging es einmal durch die Wirtschaft durch in den hinteren Bereich. Dort wartete das große Tanz-Café „Boogie Woogie“ auf die Gäste - mit teilweise über 1.000 Menschen auf der Tanzfläche an den Wochenenden. Darunter häufig auch hoher Besuch: Neben bekannten Fußball-Gesichtern waren auch Sänger-Legenden wie Jürgen Drews und Falco im Nachtclub mitten im Kahlgrund Party machen. „Die Gäste sind auch aus Hanau und aus Offenbach hierher angereist“, erzählt Regina Pabst. Sie hat damals gemeinsam mit ihrem Mann und ihrem Bruder das Boogie Woogie eröffnet. In den neun Jahren gab es dort auch viele Highlights: Bettfedern-Partys, Schaumpartys, die Wahl der Miss Unterfranken und spektakuläre Faschingspartys. „Die waren immer sensationell. Da sind fast alle Leute verkleidet gekommen und die Leute standen bis die Treppe runter an“, erinnert sich Regina. Die heute 72-Jährige denkt gerne an die Zeit im Tanz-Café zurück. „Wir haben ein bisschen Stadt hierher nach Schöllkrippen gebracht!“ Nach dem Boogie Woogie wurde noch eine Zeit lang weiter gefeiert: Im Jahr 2000 öffnete für anderthalb Jahre in den Räumlichkeiten das „El Dorado“ und bis 2010 wurde hier unter dem Namen „Club 2305“ gefeiert.