Die „Layla“ der Nazis?
BAYER. UNTERMAIN/SYLT (kh). Hier weht einem eine frische Brise Nordseeluft um die Nase: Die Insel Sylt ist bekannt für weitläufige Dünenlandschaft, aber auch viel Geld und seit neustem auch für ausländerfeindliche Parolen von Heranwachsenden. Denn auf die Melodie des Liedes „L´amour toujours“ von Gigi D´Agostino wurde vor kurzem im Nachtclub Pony von jungen Erwachsenen „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“ gegrölt. Das Münchner Oktoberfest hat schnell reagiert und das Lied für dieses Jahr in allen Festzelten verboten. Auch unsere Region bleibt nicht untätig - PrimaSonntag hat nachgefragt.
Bereits im Februar beim Politischen Aschermittwoch des Rödermarker Ortsverbands der AfD wurde die Melodie des Liedes „L´amour toujours" von Gigi D´Agostino im Veranstaltungssaal gespielt, allerdings erstmal ohne Liedtext. Das war jedoch der Ursprung der jetzt als ausländerfeindlich bekannten Melodie. Als dann in den letzten Tagen jedoch das Partyvideo aus einer Sylter Bar die Runde in den sozialen Medien machte, entstand eine ähnliche Debatte wie damals beim Party Hit „Layla“ - die war eher von moralischer Natur. Sollte nun der aktuell umstrittene Song auf den Festen der Region verboten werden? Das Münchner Oktoberfest hat das klar mit JA beantwortet und jetzt bereits beschlossen, dass das Lied nicht mehr in den Festzelten gespielt werden darf. Auf PrimaSonntag-Nachfrage sagen uns auch die Widmann Festzeltbetriebe, die das Festzelt auf dem Aschaffenburger Volksfest betreiben, dass sie den Song bisher nie gespielt haben, aber auch aufgrund des gegebenen Anlasses davon absehen werden. Bei den vielen verschiedenen Bühnen auf dem Stadtfest im August ist es schon ein wenig schwieriger. Bürgermeisterin Jessica Euler sagte uns: „Auf der Basis des heutigen Kenntnisstandes ist ein Verbot des Liedes „L‘amour toujours“ beim Stadtfest ebenso wenig beabsichtigt wie beim Volksfest. Die Stadt Aschaffenburg geht davon aus, dass die Veranstalter von Bühnen in unserer Stadt die nötige Sensibilität besitzen, welche Songs sie spielen. Selbstverständlich würde in Abstimmung mit der Polizei auch beim Stadtfest eingeschritten werden, wenn das Lied dazu missbraucht würde, strafrechtlich relevante Inhalte zu verbreiten, wie dies in Sylt und anderswo stattgefunden hat.“
„Keine Nazis
auf Volksfesten"
Auf unserer Facebook-Seite von primavera24 ist der Tenor eher, dass es sinnlos sei, einfach Lieder zu verbieten. User schrieben zum Beispiel: „Nein, lieber gezielt durchgreifen. Der ursprüngliche Text ist nicht zu beanstanden, nur was daraus gemacht wird“, „Lasst einfach keine Nazis aufs Volksfest“ oder auch „Das erinnert an Layla, wo es ja auch super funktioniert hat. (…) Eines ist ja auch mal klar: mit diesem unsinnigen Verbot erreicht man nur das Gegenteil und hier wird der Sänger ‚bestraft‘, der nichts dafür kann!! Jedem sollte klar sein, dass man JEDES Lied auf diesem Planeten individuell umschreiben kann, könnte.“ Jedoch bleibt es nicht bei einem Vorfall auf Sylt - im Internet kursieren derzeit Videos aus Stuttgart. Darauf sind Fußballfans zu sehen, die die rassistische Parole „Ausländer raus“ rufen. Die Fußballfans hatten sich am vergangenen Sonntag auf dem Schlossplatz versammelt, um die Meisterschaft des türkischen Erstligisten Galatasaray Istanbul zu feiern. Und auch in einem Aschaffenburger Nachtclub ist das Lied zu diesem Zweck schon angestimmt worden. Bis zur Michaelismesse in Miltenberg sind es zwar noch knapp 80 Tage, deshalb hat sich der „Lechnerwirt“ Mathias Hofmann noch nicht so viele Gedanken darüber gemacht. Jedoch sei es ja eher ein DJ-Lied und deshalb eh nicht das richtige Genre für das beliebte Holzfestzelt. Benjamin Lindner vom Vereinsring Strietwald, der die Gickelskerb mitorganisiert, sieht es ähnlich. Es dauert noch bis September und bis dahin hat sich die Lage um das Lied von D’Agostino ja eventuell wieder beruhigt.
Das sagt Bürgermeisterin Jessica Euler:
„Das Gegröle auf Sylt war abscheulich und menschenverachtend. Dennoch löst ein Verbot des Ursprungsliedes nicht das Problem, denn das Problem ist das Verhalten derjenigen, die hierzu rassistische und ausländerfeindliche Parolen grölen. Dagegen müssen Staat und Zivilgesellschaft - ganz gleich, auf welche Melodie diese Parolen gegrölt werden - klare Kante zeigen.“
Das sagen unsere Leser:
Helmar Bachmann aus Johannesberg: „Ja, habe ich mitbekommen, finde ich katastrophal. Das gehört sich einfach nicht. Ich habe das Video aufs Handy geschickt bekommen. Aber ein Liedverbot muss nicht unbedingt sein. Es ist ja nur ein Lied, ‚Ausländer raus‘ gehört da halt nicht dazu.“
Werner Hofmann aus Mainbullau: „Das kotzt mich an. Das braune Rumgesülze muss nicht sein. Das Liedverbot finde ich notwendig.“
Jumalhan Hassani aus Aschaffenburg: „Also ich finde es nicht in Ordnung, dass sowas gesungen werden kann, wir leben zwar in einem freien Land, aber man darf anderen Personen damit nicht wehtun. Trotzdem hat das ja insgesamt nichts mit dem Lied an sich zu tun.“
Ute Fischer aus Aschaffenburg: „Es ist ja irgendwie schon normal, nix Neues mit den ausländerfeindlichen Sachen. Ich kenne den Club Pony auf Sylt von früher noch und der Inhaber hätte vorher mal Hausverbot erteilen sollen. Es geht ja nicht um das Lied an sich, sondern primär um die Leute. Es hätte ja auch ‚Hänschen klein‘ sein können.“
Anika Klement aus Aschaffenburg: „Das ist peinlich, mies und degradierend.“
Anna Lauer aus Aschaffenburg: „Das Liedverbot an sich wird das Problem nicht lösen, hilft aber ja vielleicht, dass nicht sowas auf dem Aschaffenburger Volksfest vorkommt.“
Stefan Willeitner aus Stadtprozelten: „Scheiße find ich das, das passt einfach nicht. Ich finde es richtig, das Lied zu verbieten, weil dann gar nicht die Möglichkeit besteht, das Lied zu singen. Ich denke, es sind Leute, die dementsprechend getrunken haben und gar nicht wirklich nachdenken.“