Die Geburtsstunde der Glaserianer?
MÖMBRIS/WÜRZBURG/ROM (mag). Wenn sich an diesem Sonntag die Glaserianer zum ersten Gottesdienst nach Gründung des „Vereins für Seelsorge in Freiheit“ treffen, wird wohl auch der Vatikan mit Argusaugen nach Unterbessenbach zur Kapelle im Gutshof blicken. Die „Causa Glaser“ ist in Rom angekommen. Das Bistum Würzburg hat den Fall „nach ganz Oben“ gemeldet.
Schicken sich 500 Jahre nach Lutheranern die Glaserianer an, eine neue freie Kirche zu gründen? Der Mitinitiator des im Kreis Aschaffenburg neu gegründeten „Vereins für christliche Seelsorge in Freiheit“, der Mömbriser Reinhold Glaser, würde solche Überlegungen sicherlich weit von sich weisen. Aber die Parallele zur Lutherbewegung im 16. Jahrhundert ist da und der Gedanke an den Urheber des Protestantismus reizvoll. Zumindest für etwa 20 Gläubige, die dem Verein nun schon seit seiner Gründung vor zwei Wochen beigetreten sind. „Aus ganz unterschiedlichen Gründen und mit ganz unterschiedlichen Erwartungen“, wie Glaser gegenüber PrimaSonntag sagt. Sie alle eint aber offenbar der Wunsch, ihren Glauben weiterzuleben, aber nicht mehr unter dem Dach der katholischen Kirche. „Die wollen frei sein in ihrer Glaubensbezeugung. Deshalb sind sie auch nicht zur evangelischen Kirche gewechselt oder zu einer der Freikirchen“, so Glasers Mitstreiter Philipp Tropf. Der Goldbacher Theologe und geweihte Priester hat sich schon vor längerem mit der katholischen Kirche überworfen. Er ist kürzlich nach Waldaschaff gezogen, wo sich jetzt der amtierende katholische Pfarrer Augustin übrigens immer wieder Fragen anhören muss, warum er denn ein abtrünniger Glaser-Anhänger sei. „Bitte schreibt mal in PrimaSonntag, dass ich das nicht bin“, so der Leiter der Pfarreigemeinschaft Sankt Hubertus im Spessart. Hiermit geschehen.
Glaser, der Kümmerer
Doch zurück zum „Ketzer aus dem Kahlgrund“: Reinhold Glaser gehörte schon immer zu den Menschen, die sich für andere einsetzen. „Der Reinhold kümmert sich“, sagt ein langjähriger Weggefährte, der seinen Namen aber nicht in PrimaSonntag lesen möchte, weil im Kahlgrund jeder schnell zum Dorftratsch werden kann. 1998 bis 2008 ist Glaser Bürgermeister im Markt Mömbris. Ob gut oder schlecht, darüber kann, wie immer, leidenschaftlich gestritten werden. Aber außer Frage stellen Gegner wie auch Anhänger des heute 68-Jährigen seine Motivation für die Tätigkeit. Auch nach dem Ausscheiden aus dem Amt zieht sich der „Kümmerer“ nicht einfach ins Pensionsleben mit üppiger staatlicher Alimentierung zurück, wie so viele ehemalige Rathauschefs. Glaser lässt sich 2014 zum Diakon weihen und kümmert sich um das Seelenheil seiner Mitmenschen. Warum aber nur zu festgelegten Dienstzeiten, wie der neue Pfarrer Hartung festlegt, der 2020 das Ruder in der Pfarrgemeinschaft im mittleren Kahlgrund übernimmt? Das will Glaser partout nicht in den Kopf, und mit demselben rennt er nun in der katholischen Kirche gegen eine Wand an. Ermahnung, Entpflichtung, Suspendierung, Petition. „Da ist jemand engagiert und will helfen. Und gegen den wird dann so vorgegangen“, erinnert sich Glaser an lange schlaflose Nächte, in denen er immer wieder nach dem „Warum“ fragte. Übrigens auch mehrfach im Bistum Würzburg. Dort hatte man offenbar kein gesteigertes Interesse an einer Debatte sondern nur am Maßregeln des „Kahlgründer Querulanten“.
Exkommunikation möglich
Jetzt scheint das Tischtuch zerschnitten. Glaser hat mit seiner Vereinsgründung deutlich gemacht, dass er sich vom Bischof nicht mehr sagen lassen will, wann der sich „kümmern“ darf. Würzburg hat die Vereinsgründung jetzt nach Rom gemeldet. Der Verein sei „illegal“, so das Bistum in einer Pressemitteilung. Kirchenrechtlich mag das auch stimmen. Theoretisch kommt sogar eine Exkommunikation Glasers in Frage, wenn der Vatikan den Verein als Gründung einer eigenen Kirche wertet. Staatsrechtlich können Glaser & Co. allerdings machen, was sie wollen. In Deutschland herrscht Religions- und Vereinsfreiheit. Vor 500 Jahren drohte Luther der Scheiterhaufen. Er wurde knapp ein Jahr auf der Eisenacher Wartburg versteckt. Vor Verbrennung muss sich Glaser heutzutage nicht fürchten. Trotzdem gibt‘s auch jetzt eine reizvolle Parallele zu Luther. Nach der Seelsorge-Vereinsgründung verschwand Glaser nämlich zwei Wochen von der Bildfläche. „Aber nicht aus Angst. Ich war Bordseelsorger auf einem Kreuzfahrtschiff“, so Glaser schmunzelnd. Er hat sich halt wieder mal „gekümmert“.