Die drei Weisen aus dem PrimaSonntag-Land
BAYER. UNTERMAIN (dmk/jm). Der Dreikönigstag steht immer für einen Neuanfang – das Jahr hat gerade erst begonnen. Anlass, voller Erwartung in die Zukunft der Region zu schauen. In Politik, Wirtschaft und Sport stehen spannende Monate mit wichtigen Entscheidungen bevor. PrimaSonntag hat bei den drei Weisen dieser Bereiche aus unserer Region nachgefragt - und die Experten haben für uns einen Blick in die Kristallkugel geworfen.
Sport 2023
Viktoria-Legende Hans-Peter „Bubu“ Knecht (62)
„Bubu, Bubu, Bubu“ hallte es durch das Stadion am Schönbusch, wann immer Hans-Peter Knecht sich den Ball für seine berüchtigten Freistöße zurecht legte. 156 Zweitligaspiele für Kickers Offenbach und Viktoria Aschaffenburg hat „Bubu“ auf dem Buckel, erzielte dabei 53 Tore. Für uns ordnet die Viktoria-Legende die sportliche Lage unserer Region ein.
Herr Knecht, wie schätzen Sie die aktuelle Situation bei Viktoria Aschaffenburg ein?
„Die Viktoria und ihre Verantwortlichen, die dem Verein vorstehen, machen einen guten Job. Der Verein hat wirtschaftlich eine Zukunft. Man kann jetzt nicht die ganz großen Sprünge machen wie andere Clubs, aber Jochen Seitz und sein Team haben in den letzten Jahren immer eine gute Mannschaft geformt, die im oberen Tabellendrittel mitspielen kann. Schön wäre es, wenn man in die dritte Liga aufsteigen könnte, denn dort gehört die Viktoria einfach hin. Ich wünsche der Viktoria dafür und für das Jahr 2023 alles Gute.“
Wie sehen Sie allgemein die Rolle der lokalen Fußballvereine im neuen Jahr?
„Wie man sieht, tun sich fast alle Vereine auch in unserer Region schwer, sowohl wirtschaftlich als auch sportlich sich eine Zukunft aufzubauen. Es sollte für alle Vereine das Ziel sein eine Basis zu schaffen, damit man den Verein am Leben halten kann. Immer mehr Vereine gehen zu einer Spielgemeinschaft zusammen, da es immer weniger Spieler als auch Ehrenamtliche gibt, die im Verein arbeiten und helfen. Schön wäre es, wenn man zumindest die Traditionsvereine in unserer Region am Leben erhalten könnte, um weiterhin Derbys zu sehen.
Wie schätzen Sie die Situation um den TV Großwallstadt und allgemein um die Handballvereine der Region ein?
„Der TV Großwallstadt spielt aktuell eine gute Rolle in der 2. Bundesliga. Zur Mannschaft und dem Verein kann ich leider nicht viel sagen, da ich zu wenig Einblick in dem Club habe. Würde mir aber wünschen, dass der TVG die Tradition und den Aufstieg in die 1. Bundesliga wieder schafft. In unsere Region gehört einfach ein Bundesligist.“
Wie steht es um die Ringer-Vereine der Region?
„Aktuell ringen Kleinostheim und Hösbach in der Bundesliga. Was ich so höre und weiß, haben beide Vereine gute Ringer. Es wäre schön, wenn wir hier in unserer Region einmal wieder einen Kampf um die deutsche Meisterschaft hätten. Das waren früher immer Highlights.“
Politik 2023
Ehemalige Bundestagsabgeordnete Christine Scheel (66)
Seit 1983 ist sie Mitglied der Grünen und von den 90ern bis in die 2000er Mitglied im Land- und Bundestag. In dieser Zeit hat Christine Scheel zahlreiche Erfahrungen gesammelt und dabei immer ihren Wahlkreis Aschaffenburg gebührend vertreten. Die Politik steht sowohl auf Bundes als auch auf lokaler Ebene vor großen Herausforderungen im neuen Jahr.
Frau Scheel, in diesem Jahr stehen die Wahlen zum Landtag und Bezirkstag an, zudem einige Bürgermeisterwahlen. Wie schätzen Sie den Einfluss dieser Wahlen auf das Leben hier am Untermain ein?
„Wahlen sind immer eine große Chance, Einfluss auf die Politik zu nehmen und mitzuentscheiden, wer wirklich einen guten und verlässlichen Plan für unsere Zukunft hat. Es wird leider oft unterschätzt, dass das Wahlergebnis im Parlament stark wirkt. In Wahlzeiten wird vieles angekündigt, doch wichtig ist die Glaubwürdigkeit. Bisher gab es von der bayerischen Landesregierung viel Ankündigungspolitik und auch Wankelmütigkeit, vor allem bei der dringend notwendigen Energiewende. Es fehlt ein wirkungsvolles Klimaschutzgesetz genauso, wie eine Integrationsoffensive aller bei uns lebenden Menschen mit Fluchthintergrund in den Arbeitsmarkt, damit auch unser Wohlstand am Untermain gesichert werden kann. Es ist auch wichtig, dass wir unsere Demokratie immer wieder schützen und Hetze und Menschenverachtung entgegentreten.“
Welche politischen Herausforderungen stehen im Jahr 2023 aus ihrer Sicht besonders im Fokus?
„Für unsere Region ist es enorm wichtig, dass die Energiewende hin zu Erneuerbaren Energien aus Wind, Sonne und Biomasse in der Umsetzung viel schneller vorankommt. Im Kreis Aschaffenburg steht immer noch kein einziges Windrad, obwohl ein Planungsgutachten aus dem Jahr 2011 bereits 50 Anlagen als Zielwert für die Region formuliert hat. Die Nutzung von Solarstrom muss Fahrt aufnehmen, auch bei PV auf Freiflächen. Die Region hat sich Klimaneutralität vorgenommen, aber dies muss neben der Energiepolitik auch konkret bei einer Mobilitätswende umgesetzt werden. Mehr Busse und Bahnen, gute Fahrradwege, statt überdimensioniertem Straßenausbau. Ein Biosphärenreservat im Spessart kann die Region enorm bereichern. Wichtig ist eine gute Bildungspolitik und dem Mangel an Lehrkräften entgegenwirken. Dies ist eine ureigene Aufgabe der Landespolitik. Stärker in den Blick muss auch endlich eine bessere medizinische Versorgung genommen werden, vor allem auch für unsere Kinder fehlen Kinderarztpraxen. Nicht zu vergessen, dass unser Klinikum trotz jährlichen Defizits in kommunaler Hand bleiben muss. In den Gemeinden braucht es mehr Transparenz im Verwaltungshandeln, eine stärkere Einbeziehung der Bürger. Daher sind Bürgermeisterwahlen auch von großer Bedeutung, denn fast alles muss vor Ort umgesetzt werden.“
Wirtschaft 2023
Wirtschaftsexperte Friedbert Eder (68)
Er blickt zurück auf jahrelange Erfahrung in der Wirtschaft: Friedbert Eder war bis 2022 Präsident der IHK-Aschaffenburg und ist damit bestens informiert über die Region. Das neue Jahr bringt gerade für die Wirtschaft viel Unsicherheit, Stichwort: Inflation, Fachkräftemangel und Rohstoffknappheit.
Herr Eder, mit welcher Ausgangsposition startet die Wirtschaft in das neue Jahr?
„Die Wirtschaft am bayerischen Untermain ist derzeit verunsichert: Die Auftragslage ist zwar - so ist mein Eindruck - noch in Ordnung, aber die Zukunft wird überwiegend skeptisch eingeschätzt. Der Mangel an qualifizierten Fachkräften überdeckt diese Skepsis, aber die extreme Situation auf den Beschaffungsmärkten, also Lieferengpässe, sehr hohe Preissteigerungen und die Energiesituation macht den Unternehmen auf breiter Front zu schaffen.“
Mit welchen Herausforderungen müssen wir rechnen?
„Diese starken Strukturverschiebungen zwingen Unternehmen dazu, sich selbst schnell zu wandeln und an die neuen Verhältnisse anzupassen. Die Betriebe müssen ihre Beschaffungsmärkte überprüfen, aber auch ihre Produktionsverfahren und auch ihre Absatzwege. Erfolgreich wird nur derjenige sein, dem diese Anpassung reibungslos gelingt.“
Welchen Rat geben Sie den Unternehmen am Bayerischen Untermain?
„Derzeit ist vieles im Umbruch: Die Bedürfnisse der Verbraucher wandeln sich, die Zukunft ist unsicher durch vielerlei Einflüsse, deren Bedeutung wir derzeit nur unvollkommen einschätzen können. Deshalb scheint mir derzeit Vorsicht angebracht und das Vermeiden von risikobehafteten Investitionen. Liquidität ist Trumpf.“
Was für eine Entwicklung erwarten Sie für das neue Jahr?
„Ich erwarte ein Abflauen der Nachfrage und damit der Auftragslage. Ob dies zu negativen Effekten auf dem Arbeitsmarkt führt, die Arbeitslosigkeit also ansteigen wird, ist derzeit noch nicht zu beobachten. Die Inflation wird, so meine Einschätzung, aus drei Gründen auf ein niedrigeres Niveau absinken: Die Energiekosten werden sinken, aber nicht auf das Vorkrisenniveau. Die sinkende Nachfrage wird es Unternehmen schwer machen, nachfragebedingte Preiserhöhungen durchzusetzen, auch wenn diese aus betriebswirtschaftlicher Sicht notwendig sind. Der deutliche Anstieg der Zinsen wird vor allem auf den klassischen Investitionssektoren Bau und Maschinenbau eine Investitionstätigkeit erschweren und damit die Nachfrage in diesen Bereichen dämpfen.“