Die Angst vor dem Hochwasser-Horror!
BAYER. UNTERMAIN (jm). Vollgelaufene Keller, überflutete Straßen und panische Anwohner – die Unwetter und starken Regenfälle in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag sorgten in der gesamten Region für Aufruhr. PrimaSonntag hat mit Betroffenen gesprochen und einen Blick zurück auf unsere lange Hochwasser-Historie geworfen.
„Das Gewitter kam von Dornau oder Hausen von oben herunter“, berichtet Lothar Pfenning. „Das Wasser lief bergab.“ Sein Keller in Hofstetten stand fast bis zur Decke voll mit Wasser. Das ist für den 84-Jährigen allerdings auch nicht die erste Erfahrung mit Hochwasser. „Es muss halt alles sauber gemacht werden. So etwas kann eben immer passieren.“ Eine Frau aus Leidersbach schildert ebenfalls beängstigende Vorgänge. „Uns stand das Wasser bis zu den Knien. Ich habe als erstes meinen Hund in Sicherheit gebracht.“ Bastian Franz ist Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr in Hofstetten. „Wir sind erstmal alarmiert worden, weil unser Feuerwehrhaus selbst unter Wasser stand. Danach haben sich die Einsätze gehäuft.“ Verschiedene Keller mussten ausgepumpt werden und am nächsten Tag wurden die Straßen und Gehwege mit den THW Obernburg bereinigt worden. Im Kreis Miltenberg waren es in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag über 250 Einsätze, im Kreis Aschaffenburg sogar 350.
Das Sturzfluten-Risiko-Konzept
Ein Ort, den das Unwetter besonders getroffen hat, ist Leidersbach. Dort ist Hochwasserschutz schon seit Jahren ein großes Thema. „Wir haben eine Sturzfluten-Problematik“, erklärt Leidersbachs Bürgermeister Michael Schüßler. „Wir haben 16 Seitentäler, die in ein langes, großes Tal münden. Dadurch kommt es halt immer wieder dazu, dass sich das Wasser in der Mitte sammelt.“ Schüßler hat in der Unwetter-Nacht vor allem sehr viel Solidarität gesehen. „Ich habe eine Gemeinschaft erlebt. Man hat sich Pumpen geliehen, Schaufeln oder auch Besen.“ Die Gemeinde wird am 14. September ein Sturzfluten-Risiko-Konzept vorstellen. Dabei werden Möglichkeiten vorgestellt, wie man sich die nächsten Jahre vor Hochwasser schützen könnte. Schüßler wünscht sich das der Freistaat Bayern auch niederschwellige Maßnahmen fördert. „Alle Maßnahmen, die man ergreifen kann, sind finanziell sehr aufwendig. Deswegen muss man sich auch sicher sein, die richtige Lösung zu finden. Ich bin zuversichtlich, dass wir mit diesem Konzept den richtigen Weg einschlagen. Ganz verhindern können wir die Ereignisse nicht, aber die Folgen abmindern.“ Aus seiner Sicht sind die Hochwasser eine klare Auswirkung des Klimawandels. „Diese Sturzfluten werden häufiger werden.“ Ein großes Problem gerade für den Bayerischen Untermain, der in der Vergangenheit schon mit so einigen Hochwassern zu kämpfen hatte. Aber wie gut sind unsere anfälligen Kommunen vorbereitet. PrimaSonntag hat bei einigen nachgefragt:
Mömlingen:
Wenn man von den letzten großen Hochwasserfällen in der Region spricht, denkt man sofort an Mömlingen im Juni 2021. „Wobei es sich hier weniger um ein klassisches Hochwasser handelte, bei dem über einen längeren Zeitraum das Wasser der Bäche über die Ufer tritt“, erklärt Roman Dölger, Bau- und Ordnungsamtsleiter in Mömlingen. „Vielmehr handelte es sich um einen Starkregen, der sich vor und über Mömlingen ereignete.“ Unvergessen sind die Bilder von Autos, die komplett unter Wasser stehen. „Die Gemeinde Mömlingen hat aufgrund des Vorfalls ein Förderprogramm aufgelegt, bei dem Grundstückseigentümer ihr Anwesen vor dem Hochwasser schützen können z.B. durch dichte Kellerfenster, Rückschlagklappen, etc.“
Mömbris:
„Gravierend war das Hochwasserereignis im Mai 2017“, erinnert sich Mömbris Bürgermeister Felix Wissel. Hier gab es um die 400 vollgelaufene Keller im Markt und Schäden in Millionenhöhe. „Alle anderen kleineren Ereignisse stehen im Schatten dieses Hochwassers.“ Auch der Markt Mömbris hat für die Zukunft Maßnahmen getroffen. „Wir sind zusammen mit den anderen Mitgliedsgemeinden der Kommunalen Allianz Kahlgrund Spessart dem Projekt „Boden.ständig“ des ALE Unterfranken beigetreten.“ Hierüber werden verschiedene Maßnahmen zum Hochwasserschutz koordiniert. So wird z.B. wissenschaftlich untersucht wie der Boden bearbeitet werden muss, damit er im Regenfalle mehr Wasser aufnehmen kann. „Zudem werden auch Baumaßnahmen geplant um den Hochwasserschutz zu verbessern. Weiterhin informieren wir unsere Bürger, dass keine Abfälle oder Holzstapel in Gewässernähe gelagert werden sollen, da diese im Hochwasserfall mitgerissen werden und dann Einläufe oder Rohre verstopfen.“
Miltenberg:
So alt wie die Geschichte Miltenbergs ist ihr Kampf mit dem Hochwasser. „Die Gefahr veranschaulichen die Hochwassermarken, die an historischen Gebäuden der Altstadt den Wasserstand anzeigen“, erklärt Franziska Balles, Stadtbauamt Miltenberg. So zeigt das Luftbild vom Februar 1970, dass die komplett überflutete Mainstraße nur mittels eines Steges überquert werden konnte, um zur Mainbrücke zu gelangen. „In zwei Planungsabschnitten mit insgesamt vier Bauabschnitten wurde der Hochwasserschutz entlang des Mains verwirklicht“, so Balles. „Vom Schwimmbad bis fast zum Schwertfeger Tor auf rund 1.900 Metern Länge reicht heute der Schutz Miltenbergs vor den Fluten des Mains. In einer ersten Bewährungsprobe konnte das Hochwasser 2003 in den bereits fertiggestellten Abschnitten von der Bebauung ferngehalten werden.“
Das haben unsere Leser erlebt:
Alice Kuhbandner’s Eltern aus Hofstetten hat es auch erwischt:
„Meine Eltern wohnen hier, ich auf der anderen Straßenseite. Ich hab erlebt, dass der Bach von 1,20m auf 12m Breite angeschwollen ist. Es kam also von den Bergen runter, sodass erstmal Bagger kommen mussten, um die Wege frei zu räumen. Ich bin heut Nacht gar nicht zu meinen Eltern rüber gekommen aufgrund des Baches. Es gab keine Möglichkeit auf die andere Seite zu kommen. Das hatten wir so auch noch nicht.“
Torsten Heiniger aus Hofstetten:
„Es hat geregnet und gehagelt und um 22:39 Uhr hab ich dann die Feuerwehr gerufen weil oben der Hang runter gekommen ist. Der ganze Schutt und das Geröll sind auf die Hauptstraße und es gab kein Durchkommen mehr. Bis 2 Uhr haben wir dann die Straße sauber gemacht, damit die Autos durchfahren konnten.“
Katharina Fuß aus Laufach wurde heute Nacht von ihrem Vater in den Hof gerufen als dieser schon voll war:
„Das Wasser war dann schon ungefähr Schienbein oder Kniehoch aber dann kam das Wasser von der Bach dazu und dann waren auch unsere Ställe unter Wasser. Irgendwann später stand es dann schon bis zur Hüfte und der Keller ist vollgelaufen. Ich hab heute Nacht vielleicht 4 Stunden geschlafen weil wir dann auch noch die Hühner retten mussten. Den Kühen gings gut, aber die Hühner sind nicht mehr von alleine auf die Stange in Sicherheit gekommen weil da auch das Wasser gestanden hat.“
Moritz Polleichtner aus Laufachhat heute Nacht relativ wenig mitbekommen:
„Ich wohne vorne an der Hauptstraße und es hat halt gewittert. Denkt man sich erstmal nichts bei. Aber dann sind wir früh raus, und das ist seit dem ich hier wohne und ich wohn hier seit Geburt, das heftigste Unwetter. Wir haben jetzt halt die ganzen Ställe sauber gemacht weil das ganze Zeug halt nass war und raus musste. Der Zaun hier war auch komplett voll mit Schwemmgut.“
Hermann Emmerich aus Leidersbach hat das Hochwasser im Ort schon öfter erlebt:
„Wir sind immer die Leidtragenden. Wenn der Dreck von da oben vom Berg kommt, können wir hier unten nix mehr machen. Erst hat es nur geblitzt und geblitzt und dann hats los gelegt und fertig. Jetzt müssen wir halt aufräumen. Was anderes bleibt uns ja nicht übrig. Der Keller ist bei uns aber nicht vollgelaufen da sind wir schon von den vergangenen Jahren her ausgerüstet.