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Reporter Aktuell: Der wilde Ritt im Seitenwagen

13.07.2024, 06:00 Uhr in Reporter Aktuell

STRASSBESSENBACH (mg). Wenn die Besten der Welt einer Sportart in unserer Region aufeinandertreffen, kann es eigentlich nur das Motocross-Rennen in Straßbessenbach sein. Vor allem der Lauf der Seitenwagen-Weltmeisterschaft sorgt für helle Begeisterung bei den Zuschauern. Die explosive Motorsportart vereint Motocross mit Beiwagen-Action und sorgt für packende Rennen auf unwegsamem Gelände. PrimaSonntag-Reporter Matthias Goldhammer hat einen Teilnehmer der WM getroffen - und wurde für kurze Zeit zu seinem Teamkollegen…

Seit über 50 Jahren veranstaltet der Motorsportclub Straßbessenbach schon Motocross-Rennen „Da haben sich irgendwann mal Freunde des Motorsports zusammengetan und - ja schon in einer Nacht und Nebel-Aktion - den Verein gegründet. Im gleichen Jahr fand auch schon das erste Rennen statt“, erzählt mir MSC-Vorstand Alexander Seubert vor Ort. Rund sechs Wochen dauert der Aufbau für das Event. „Die Vorbereitungen dauern aber eigentlich das ganze Jahr.“ Eine so große Veranstaltung nur mit ehrenamtlichen Vereinsmitgliedern auf die Beine zu stellen, ist heute eigentlich kaum vorstellbar. Für die motorsportverrückten Bessenbacher ist es aber eine Herzensangelegenheit. Über 8.000 Besucher zieht die Veranstaltung über die drei Tage an. Das große Highlight des Wochenendes ist der Lauf der Seitenwagen-Weltmeisterschaft. Dabei steht neben dem Fahrer eine weitere Person im Wagen - und das komplett ohne Sicherung. Fahrer und Beifahrer müssen perfekt harmonieren, um die scharfen Kurven und wilden Sprünge zu meistern. Dabei ist Teamwork das A und O, denn während der Fahrer das Motorrad durch Schlamm und Staub steuert, hält der Beifahrer das Gleichgewicht und sorgt für die nötige Stabilität. Dabei legt er sich teilweise so über das Motocross-Motorrad, dass sein Kopf nur noch wenige Zentimeter über der Strecke schwebt. Mit Adrian Peter schickt der MSC Straßbessenbach auch einen Teilnehmer ins Rennen. Er und sein Teamkamerad Joel Hoffmann sind aktuell unter den 20 Besten der WM-Wertung. Ihn hab ich an der Strecke in Bessenbach, seinem Heim-Grand-Prix sozusagen, getroffen.

Vom Nachwuchstalent
zum Vizemeister
Während ich mich mit Adrian unterhalte, heizen im Hintergrund Kinder über die Strecke. Auch er fing schon mit fünf Jahren an Motocross zu fahren. Der heute 27-Jährige ist durch seine Freundin zum MSC gekommen. Vor zehn Jahren ist er hier seinen ersten WM-Lauf gefahren, heute ist er zweifacher deutscher Vizemeister. Doch der Erfolg ist keine Zwei-Mann-Show, wie er mir erklärt: „Motocross im Allgemeinen ist ein Teamsport. Das ganze Team drumherum muss funktionieren, um Ergebnisse erzielen zu können.“ Bei der WM wird es schwer für das deutsche Gespann, vorne mitzufahren, weil die Konkurrenz sehr stark ist. Teams aus den Niederlanden, Belgien und Frankreich haben ganz andere Voraussetzungen, da die Sportart dort viel beliebter ist - und dementsprechend mehr Gelder fließen. Trotzdem will Adrian bei seinem Heimrennen punkten. „Die Strecke ist in ganz Europa für den Starthang bekannt. Es ist eine sehr schnelle naturbelassene Strecke - das sorgt für Action und viele Überholmanöver.“

An die Grenzen gebracht
Nach dem Interview geht es für uns auf den Rundkurs. In der Vergangenheit stand ich schon oft als Besucher am Rand, jetzt befinde ich mich mitten auf der Strecke. Vor mir das Seitenwagen-Gefährt. Ich merke, wie mein Herzschlag immer schneller wird. Nach einer kurzen Einweisung geht es los. „Einfach auf mich hören und dann merkst du schon, wo die Kniffe sind“, gibt Adrian mir noch mit. Ganz schön wackelig auf dem Teil, denke ich mir. Dann geht’s schon in die erste Kurve und ich muss mich mit vollem Körpergewicht reinlegen. Gar nicht so einfach. Wenn ich nicht richtig mitarbeite, kommen wir kaum um die Kurven. Dann geht’s auf einmal einen Abhang runter. Meine Füße heben leicht ab, ich kann nicht anders und muss laut schreien. Doch es bleibt keine Zeit, es geht direkt um die nächste Kurve und hoch über eine Schanze - der nächste Sprung. Kurz vor Ende der zweiten Runde dreht Adrian sich leicht zu mir um: „So jetzt machen wir nochmal ‘ne schnelle Runde.“ Tausend Gedanken rasen mir in diesem Zeitpunkt durch den Kopf - aber vor allem einer: „Schei**ße! Wie soll ich das packen?!?“ Schon jetzt fühlen sich meine Arme und Beine an wie Pudding. Niemals hätte ich gedacht, dass das so anstrengend ist - und, dass nach nur zwei Runden! Die dritte Runde beginnt und jetzt drückt Adrian nochmal so richtig aufs Gas. Ich lege mich mit vollem Körpereinsatz rein: Kurve links, nochmal links, dann wieder rechts und über den ersten Hügel. Ich merke, wie meine Kräfte schwinden. Wieder links, den Abhang runter, über die Schanze hoch und geschafft... die drei Runden im Seitenwagen sind vorbei. So anstrengend es auch war, die Freude überwiegt. Ich bedanke mich bei Adrian für die tolle Erfahrung und wünsche ihm viel Glück beim Rennen. Für mich geht es im Anschluss zum Interview - doch das Sprechen fällt mir sichtlich schwer. Nicht nur meine Arme und Beine sind müde, sondern auch mein Kopf ist ausgelaugt. Der Respekt gegenüber den Athleten ist bei mir auf jeden Fall gewachsen. Drei Runden auf der „Kinderstrecke“ brachten mich schon nah an meine Grenzen, kaum vorstellbar wie anstrengend ein Rennen unter Wettbewerbsbedingungen sein muss. Ich freue mich jetzt auf die Rennen am kommenden Wochenende, vor allem, weil ich jetzt einen etwas anderen Blickwinkel auf das Ganze habe…