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Der große Reporter Rolli-Check

02.07.2023, 06:30 Uhr in PrimaSonntag
Rolli Check

BAYER. UNTERMAIN (mg/mz). Eigentlich wollte Bayern in diesem Jahr komplett barrierefrei werden. Vor zehn Jahren hatte das der damalige Ministerpräsident Horst Seehofer als Ziel ausgerufen. Stand heute ist das allerdings noch lange nicht der Fall: Ein Großteil der staatlichen Gebäude, zahlreiche Verkehrsmittel und alltägliche Aufgaben sind für Menschen mit Behinderung oder Einschränkungen nicht zugänglich oder nicht zu bewältigen. PrimaSonntag hat mit Betroffenen und den verantwortlichen Institutionen über die Situation in der Region gesprochen und auch mal selbst die Barrierefreiheit in unserer Region auf die Probe gestellt…

„Hier ist es ganz schlimm. Die ganzen Pflaster, überall sind Treppen - ich kann eigentlich in fast keinen Laden.“ Mitten in der Miltenberger Altstadt treffen wir auf Rolf. Der Tourist sitzt im Rollstuhl ist zu Besuch bei Bekannten. Die Altstädte im Kreis Miltenberg sehen häufig recht ähnlich aus: Zwar sehr schön, aber von Barrierefreiheit wenig zu sehen. Kreis und Stadt arbeiten bei diesem Thema eng zusammen: „Hierbei fanden mehrere Ortsbegehungen in der Stadt Miltenberg mit einer Arbeitsgruppe aus Haupt- und Ehrenamtlichen und der kommunalen Inklusionsbeauftragten Nadja Schillikowski statt, um zu überprüfen, ob überall die Barrierefreiheit auf öffentlichen Wegen, Straßen und Plätzen gegeben ist“, äußert sich der Miltenberger Stadtbauamtsleiter Alexander Beuchert. „Bei allen Neubau- sowie bei Umbaumaßnahmen wird darauf geachtet, dass die gesetzlichen Forderungen zur Barrierefreiheit umgesetzt werden.“ Und trotzdem sind die Altstädte in Miltenberg, Klingenberg und Co. nur schwer zugänglich für Menschen mit Gehbehinderungen. Von der Stadt hört man, dass eine komplette Barrierefreiheit schnellstmöglich umgesetzt werden soll. Der Kreis beschreibt eine umfassende Barrierefreiheit als „nur schwer zu erreichen“. Es habe sich schon viel getan, allerdings gäbe es „allerorts noch viel Luft nach oben.“ Für den Großteil der baulichen Anlagen in den Kreisen seien jedoch die Kommunen selbst verantwortlich.

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Die Altstädte im Kreis Miltenberg

„Katastrophe hoch drei"
Ein ähnliches, wenn auch nicht ganz so drastisches Bild zeigt sich in Stadt und Kreis Aschaffenburg. Doch auch hier gibt es noch einige Baustellen: „Das kann man bei uns vergessen. Katastrophe hoch drei. Man kommt nicht mal zum Arzt“, erzählt ein Mann im Rollstuhl, den wir im Park Schöntal in Aschaffenburg treffen. „Auf den Markt können wir zum Beispiel kaum gehen. Mit den ganzen Versorgungsleitungen, da kommt man nur ganz schwer drüber“, erzählen Jutta und Eberhard aus Aschaffenburg. Franziska Spitzer ist mit ihrem Rollator an der Sandkirche unterwegs: „Hier geht es, aber manche Straßen sind schon ganz schön beschwerlich.“ Im Aschaffenburger Teil des Untermains wird Barrierefreiheit bei Baumaßnahmen eigentlich auch großgeschrieben…„…wie zuletzt etwa bei der Erweiterung und Sanierung des Landratsamtes oder der Sanierung und Teilneubau der Berufsschule III“, äußert sich Pressesprecher Sven Simon aus dem Aschaffenburger Landratsamt. Der Leiter der Staatlichen Bauamts Klaus Schwab nennt die TH Aschaffenburg als positives Beispiel: „Dort wurden bereits viele Maßnahmen zur Verbesserung der Barrierefreiheit umgesetzt. Es wurde zudem ein umfassendes Konzept für den gesamten Campus erarbeitet, um weitere „Stolpersteine“ zu identifizieren. Die Maßnahmen aus dem Konzept werden derzeit Stück für Stück umgesetzt.“ Das wohl größte Projekt der Stadt im Hinblick auf Barrierefreiheit ist wohl der Aufzug am Schlossufer. „Für Rollstuhlfahrer, vor allem die ohne Motor, war es eine große Herausforderung da runter zu kommen.“ Günther Fries ist Rollstuhlfahrer und unterstützt den Stadtjugendring (SJR) dabei, Aschaffenburg barrierefrei zu machen. Aktuell baut der SJR deshalb Rampen aus Lego um Geschäfte in der Innenstadt. Josh Skrobek hat das Angebot an seinem Kiosk im Rossmarkt direkt umgesetzt: „Der Großteil der Kundschaft ist im gehobenen Alter, mit Rollator und Rollstuhl.“

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Franziska Spitzer kann mit ihrem Rollator nicht überall hin…
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Jutta und Eberhard aus Aschaffenburg
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Die Rampe des SJR

„Wir sind Menschen - so sollte
man uns auch behandeln“
Lob für die Aschaffenburger Bemühungen gibt es auch von der Beratungsstelle Blickpunkt Auge in Aschaffenburg. Der Goldbacher Claus Albert ist blind und arbeitet hier als ehrenamtlicher Berater. „Man muss sagen, dass sich die Situation für Sehbehinderte in Aschaffenburg in den letzten Jahren deutlich verbessert hat. Es gibt vielerorts Ampeln mit akustischen Signalen und auch Bodenleitelemente.“ Die Aschaffenburger Beratungsstelle rund um Leiter Peter Nüßlein steht in regelmäßigem Kontakt mit den Verantwortlichen im Rathaus. „Es ist ein guter Austausch und wir merken auch deutliche Fortschritte - von einer kompletten Barrierefreiheit sind wir aber noch meilenweit entfernt.“, sagt Nüßlein. Wo also ansetzen, um das Leben für Sehbehinderte zu erleichtern? Für Claus Albert stehen vor allem die Frohsinn- und die Herstallstraße im Fokus. „In der Frohsinnstraße stören natürlich die vielen Aufsteller. In der Herstallstraße haben wir Blinde keinerlei Orientierungspunkte, man kann sich weder rechts noch links an den Hauswänden orientieren. Auch die vielen Poller machen es einem nicht einfacher. Auf der anderen Seite haben wir natürlich an der Herz-Jesu-Kirche rüber Richtung Fasanerie mit den Ampeln einen tollen Übergang.“ Doch das Team von Blickpunkt Auge kämpft nicht nur für ein barrierefreies Aschaffenburg, sondern auch gegen die Barrieren im Kopf. „Es gibt viele hilfsbereite Menschen in Aschaffenburg, doch manchmal komme ich auch in unangenehme Situationen“, erzählt Nüßlein, der an Multiple Sklerose erkrankt ist. „Wir waren neulich essen. Mir wurde aus dem Auto rausgeholfen und habe mich dann mit meinem Rollator schwerfällig fortbewegt. Die Leute haben mich nicht direkt angestarrt, aber ich stand schon im Mittelpunkt. Ich habe den Leuten einen guten Appetit gewünscht und dann war die Situation bereinigt.“ Sein Wunsch: „Wir sind Menschen wie andere auch - so sollte man uns auch behandeln.“

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Claus Achim und Peter Nüßlein

Unser Reporter macht den Rollator-Check:

Bahnhof Kahl

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„Die mittleren Gleise sind nur über eine steile Treppe zu erreichen. Für Menschen mit Sehbehinderung gibt es hier auch keine Hilfen.“

Park Schöntal Aschaffenburg

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„Die Treppe an der Sandkirche ist mit Gehhilfe oder im Rollstuhl nicht zu bewältigen. Einen einfacheren Weg gibt es Richtung Hofgarten. Dort befindet sich eine Rampe, von der viele der Befragten allerdings nichts wissen.“

Rathaus Kleinostheim

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„Schön übersichtlich gibt es direkt neben dem Haupteingang einen Eingang für Menschen mit Behinderung, der leicht zugänglich ist.“

Apotheke und Physiotherapie im Kreis Miltenberg

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„Im Kreis Miltenberg treffen wir auf verschiedene alltägliche Anlaufstellen, die nur schwer für Menschen mit Gehbehinderung zu erreichen sind. Andere Eingänge habe ich nicht gefunden.“

Kirchen in Hessenthal & Kleinostheim

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„Zahlreiche Kirchen in der Region sind nur schwer zugänglich. Egal ob lange Treppen oder schlechter Untergrund. Hier gibt es noch Nachholbedarf.“

Niedernberger See

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„Ein asphaltierter Rundweg ermöglicht es, Menschen im Rollstuhl einfach ans Wasser zu kommen. Am Strand gibt es dann zusätzlich noch Hilfen.“

Untermainhalle Elsenfeld

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„Dank der Rampe können auch Menschen mit Gehbehinderung den TV Großwallstadt bei Heimspielen anfeuern.“