Der Bulldozer aus Aschaffenburg
ASCHAFFENBURG/BERLIN (mg). American Football explodiert aktuell in Deutschland und ganz Europa. Im November trägt die National Football League (NFL), die amerikanische Profiliga, zwei Spiele in Frankfurt aus, nachdem man letztes Jahr bereits in München Halt machte - und das mit großem Erfolg. Doch nicht nur Fans und Zuschauer werden von der Sportart in den Bann gezogen. Immer mehr wollen auch selbst Football spielen. Genauso Tim Schulz aus Aschaffenburg. Der 24-Jährige erlebte bisher einen herausragenden Start in seine noch junge Football-Karriere…
„Jeder muss für den anderen kämpfen. Wenn einer seine Arbeit nicht macht, dann funktioniert der Spielzug nicht. Das schweißt natürlich zusammen - ich liebe diesen Teamgeist!“ Tim Schulz ist mit American Football aufgewachsen: Sein Vater Hansi erlebte Ende der 1990er-Jahre seine beste Zeit als Running Back im Trikot der Aschaffenburg Stallions. Sein Name ist in der Hall of Fame des Vereins verewigt, der Junior tritt nun in seine Fußstapfen. Die Position des Running Backs ist eine der physisch anspruchsvollsten auf dem Feld: Sie bekommen das Ei vom Quarterback, sozusagen dem Spielmacher, übergeben und müssen dann laufend so viel Raumgewinn wie möglich erzielen. Dabei müssen die Spieler oft genau dahin gehen, wo es am meisten weh tut. Mit 18 fing Tim in der Jugend der Stallions an, nach zwei Jahren Herren-Football in der Heimat und einem kurzen Zwischenstopp bei den Darmstadt Diamonds zog ihn das Studium nach Dresden, wo er bei den Monarchs in der German Football League (GFL), der ersten deutsche Liga, sein Können unter Beweis stellen konnte. In seinem ersten Jahr im deutschen Oberhaus kämpfte er sich ins Team und erlebte seinen bisher größten Erfolg: den Gewinn der deutschen Meisterschaft. Im Elbflorenz lernte er dann auch seinen besten Kumpel Robin Wilzeck kennen. Der gebürtige Brandenburger steht als Wide Receiver auf dem Feld, ist also dafür verantwortlich, die Bälle des Quarterbacks zu fangen. Gemeinsam zog es die beiden dann weiter zu den Berlin Thunder in die European League of Football (ELF) - der Königsklasse im europäischen Football.
Klassenfahrt durch Europa
Die ELF existiert zwar erst seit 2021, aber hört seitdem nicht mehr auf zu wachsen: „Es werden immer mehr Zuschauer. Wir bekommen mehr Aufmerksamkeit, mehr Spiele, die im Fernsehen übertragen werden. Das macht den Sport professioneller und das Niveau steigt, weil es mehr Leute spielen.“ Die GFL spielt also nur noch zweite Geige - und das wohl auch nicht ohne Grund: „Viele Spieler waren lange nicht zufrieden mit der GFL und die ELF bietet eine größere Bühne und mehr Möglichkeiten.“ 17 Mannschaften aus ganz Europa spielen in der Liga. Die zwei bisherigen Champions kamen aus Frankfurt und Wien. „Es macht einfach richtig Bock. Man kann sich das vorstellen wie eine Klassenfahrt. Alles ist organisiert, du hast einfach ´ne gute Zeit mit deinen Jungs.“ Die Mannschaft besteht aus den unterschiedlichsten Typen aus verschiedenen Herkunftsländern. „Wir trainieren täglich miteinander, das schweißt natürlich zusammen.“
Champion zu Gast
In seiner zweiten Saison ist Tim zum Starter aufgestiegen, er bekommt also mehr Spielzüge und Bälle. „Als Running Back rotierst du sehr viel, weil es physisch sehr anspruchsvoll ist. Wenn du zwei harte Läufe hattest, kommt der nächste rein.“ Um eine ganze Saison durchhalten zu können, ist die Vorbereitung im American Football besonders intensiv: „Ich hatte teilweise neun bis zehn Einheiten die Woche.“ Besonders im letzten Monat wird nochmal richtig geackert. „Da trainierst du unter der Woche und hast das Wochenende komplett Trainingscamp.“ Während der Saison geht es dann ein wenig lockerer zu: „Die Coaches achten schon darauf, dass man sich im Training da nicht kaputt macht.“ Ihm gegenüber steht im Training oft ein anderer mit Wurzeln am Untermain: Marius Markert aus Großwallstadt spielt als Linebacker in der Verteidigung der Thunder. Für beide geht es an diesem Wochenende wieder heiß her: Der amtierende Champion aus Wien, die Vienna Vikings sind zu Gast. „Sie waren letztes Jahr das beste Team in Europa. Unser Ziel ist es natürlich trotzdem, sie zu schlagen und damit einen guten Start in die Saison zu haben.“ Den Grundstein dafür haben sie bereits in der vergangenen Woche gelegt. Beim 36:3-Sieg gegen die Fehérvár Enthroners war vor allem die Defensive ausschlaggebend für eine dominante Vorstellung. Wenn jetzt noch die Offensive um Tim Schulz ins Rollen kommt, könnte auch gegen die Vikings etwas drin sein…