"An guten Tagen können wir jeden schlagen"
GROSSWALLSTADT (mz). Vor ziemlich genau einem Jahr begann für Slava Lochmann eine Flucht, die sein Leben verändern sollte. Nach dem russischen Überfall auf sein Heimatland Ukraine, flüchtete Lochmann nach Großwallstadt - seine zweite Heimat. Nur wenige Monate später erhielt er dort ein überraschendes Angebot: Cheftrainer von Handball-Zweitligist TV Großwallstadt. Neben der ukrainischen Nationalmannschaft betreut Lochmann nun auch den Verein, für den er selbst schon zahlreiche Tore warf. Hier lautet seine Mission nun Klassenhalt! Über einen besonderen Trainer, der mit seinem Herzensverein noch viel vorhat…
„Ich habe hier sehr viele Freunde. Freunde, die mir auch in Zeiten des Krieges geholfen haben“, sagt Wjatscheslaw - genannt: Slava - Lochmann. „Dafür bin ich ihnen bis heute sehr dankbar. Es ist meine zweite Heimat.“ Zwischen 2004 und 2007 war Lochmann bereits im Dress des TVG in der ersten Bundesliga aktiv. „Das war eine sehr gute Zeit für mich.“ Nun brachte ihn der Krieg in der Ukraine zurück an den Untermain. Seit Oktober vergangenen Jahres ist er Jugendkoordinator der TVG-Junioren-Akademie, Trainer der A-Jugendmannschaft und ukrainischer Nationaltrainer. Als Igor Vori Ende Januar überraschend um seine Freistellung bat, bekam Lochmann das Angebot für den Trainerposten des TVG. „Natürlich habe ich viele Gespräche mit unserem Geschäftsführer Michael Spatz geführt, aber ein Angebot aus der zweiten Liga musst du einfach annehmen, das war für mich ziemlich schnell klar", erinnert sich Lochmann.
„Ein Gefühl von
Machtlosigkeit“
Nebel kümmert sich seit der Trennung seiner Frau weitgehend alleine um seinen Sohn - Unterstützung erhält er von seiner Mutter und seiner Schwester. An den Moment der Diagnose kann er sich noch genau erinnern. „Du reagierst nur noch. Man kriegt einen Stapel Papier hingelegt, um zu unterschreiben, dass die Behandlung losgehen kann. Es ist ein Gefühl der Machtlosigkeit.“ Wochenlang verbrachte Kilian in der Würzburger Intensivbehandlung. „Zu Beginn der Zeit dort sagte Kilian immer, er habe doch kein Krebs. Doch mit der Zeit hat er sich relativ schnell damit abgefunden, er hat gemerkt, dass ihm geholfen wird“, erzählt Kilians Vater. „Ein Arzt hat uns zu Beginn gesagt: In Zukunft können Sie Ihr Leben nicht planen, das plant ab sofort die Krankheit für Sie.“ Und so kam es dann auch - selbst nach Ende der Intensivbehandlung. „Wenn seine Temperatur über 38 Grad lag, mussten wir sofort nach Würzburg - da gab es keine andere Wahl.“ Ein Leben im dauerhaften Ausnahmezustand - für Vater und Sohn. „Das war eine total stressige Zeit, man sieht einfach kein Land.“ Ein Moment aus der Chemotherapie war besonders eindrücklich. „Ich habe ihm die Haare gewaschen und danach konnte man einfach mit der Hand drüber gehen und die Haare sind abgefallen.“ Plötzlich wurde die Krankheit sichtbar.
"Handball ist
mein Leben"
Doch eine Schonfrist gab es für den Ukrainer nicht. Sechs TVG-Spiele und fünf Akademiespiele standen allein im Februar auf dem Programm. „Da wir auch mal zweimal pro Tag trainieren, verbringe ich durch die ganze Vorbereitung eigentlich den ganzen Tag in der Sporthalle. Es ist stressig, aber es ist ein positiver Stress. Handball ist mein Leben.“ Mit dieser Leidenschaft für die Wällschter hoffen die Verantwortlichen nun auch auf eine sportliche Trendumkehr. Die Bilanz dieses Jahr ist noch durchwachsen. „Im März gibt es eine zweiwöchige Spielpause, da haben wir etwas mehr Zeit, im Training was zu probieren.“ Zeit, die dringend nötig ist, um die Saisonziele nicht zu verfehlen. „Als ich den Trainerjob übernommen habe, waren wir auf Platz 11. Diesen Platz wollen wir diese Saison halten, um dann nächstes Jahr auch wieder oben anzugreifen.“ Das klare Ziel bis zum Saisonende Anfang Juni: Klassenerhalt! Helfen soll dabei auch Neuzugang Florian Mohr. Auf den 24-jährigen Kreisläufer, der es auf eine Körpergröße von 2,05 Meter bringt, hält Lochmann große Stücke. "Er ist wirklich ein Top-Spieler. Wir brauchen ihn unbedingt."
Chancen gegen
Spitzenteams
Nächster TVG-Gegner diesen Sonntag ist ausgerechnet der Tabellenführer HBW Balingen-Weilstetten. „Wir haben noch starke Teams vor uns, da zählt Balingen natürlich dazu. Aber ich glaube an das Potential. An guten Tagen können wir jeden schlagen!“ Wozu der TVG in der Lage ist, bewies er im Hinspiel. Gegen das Topteam der zweiten Liga, unterlagen die Wällschter damals nur mit einem Tor. Und der Trend des TVG zeigt nach oben. Nach der deftigen Auswärtsschlappe gegen Eisenach, zeigte das Lochmann-Team gegen Nordhorn-Lingen eine starke Reaktion - auch wenn es dafür keine Punkte gab. Gegen Aufstiegsaspirant TuS N-Lübbecke konnte der TVG am Aschermittwoch sogar den zweiten Liga-Sieg des Jahres bejubeln. Sollte jetzt gegen den aktuell Tabellenersten der nächste Sieg folgen, hätte der TVG dann doch eine recht ordentliche Februar-Bilanz aufzuweisen - immerhin hatten sie es mit vier Aufstiegsfavoriten zu tun. Und auch abseits des Handballfeldes geht es voran. „Die Kommunikation mit der Mannschaft wird immer besser.“ Mehrmals pro Woche besucht Lochmann Deutschkurse. „Deutsch ist eine sehr schwere Sprache, aber die Spieler verstehen mich. Ich spreche Handball-Deutsch. Langsam, aber es wird besser."