Alles wieder gut?

BAYER. UNTERMAIN (ps/acm). An diesem Sonntag jährt er sich zum fünften Mal: der allererste Corona-Lockdown. Schulen, Restaurants, Geschäfte - alles musste an diesem Tag vor genau fünf Jahren schließen. Ganz Deutschland befand sich im absoluten Ausnahmezustand. Beliebte Einkaufsstraßen und belebte Innenstädte verwandelten sich über Nacht in verwaiste Lockdown-Geisterstädte. Das Virus, das nach Einschätzung des BND wahrscheinlich durch einen Laborunfall im chinesischen Wuhan zur weltweiten Bedrohung wurde, hatte die Region fest im Griff. Wie haben unsere Wirtschaft, unsere Gastronomie und unsere Psyche die Lockdowns überstanden? PrimaSonntag hat nachgeforscht.
Nach fünf Jahren ist in die meisten Bereiche unseres Lebens wieder Normalität eingekehrt. Wir können schon lange wieder ausgehen, feiern, zusammensitzen und nach Herzenslust einkaufen. Die Zeit, in der wir nur zum Spazieren und Einkaufen das Haus verlassen durften, liegt eine gefühlte Ewigkeit zurück. Allerdings gibt es Bereiche, die von den Corona-Maßnahmen so sehr geprägt wurden, dass die Folgen noch heute zu spüren sind. Dazu zählen vor allem Gastronomie und Hotellerie, aber auch die Wirtschaft am Bayerischen Untermain. Und auch auf das soziale Miteinander und die Psyche von einigen Menschen wirft die Zeit der Lockdowns noch heute einen Schatten.
„Fühlte mich nutzlos“
„Es war eine sehr, sehr schlimme Zeit. Die Nächte habe ich nicht durchgeschlafen, bin oft schweißnass aufgewacht“, erzählt Frank Spieler, Kreisvorsitzender der DEHOGA Aschaffenburg. Gemeinsam mit seiner Familie führt er das Hotel Christel in Heimbuchenthal bereits in dritter Generation. Er weiß genau, was es heißt, um seine Existenz bangen zu müssen. „Psychisch ging es mir wirklich ganz, ganz schlecht, weil man sich nutzlos und ungebraucht gefühlt hat. Als der erste Lockdown rum war, war ich schon kurz vor einem Burnout.“ Bei ihm hat die Zeit damals Wunden hinterlassen, die immer noch nicht verheilt sind. „Bis heute sind viele Firmen und Reisegruppen nicht mehr in unser Hotel zurückgekehrt, die damals abgesprungen sind.“ Und auch das soziale Miteinander habe sich gewandelt. „Seit den Lockdowns gehen die jungen Menschen deutlich weniger aus. Wenn Sie in Aschaffenburg weggehen abends unter der Woche, wo ist denn da noch groß Betrieb? In meinen jungen Jahren war da noch der Teufel los“, so Spieler. „Mein ganzes Weltbild ist in sich zusammengefallen. Ich frage mich halt, warum die Gastronomie damals komplett schließen musste.“ Für Frank Spieler ist klar: Die Zeit vor dem ersten Lockdown ist noch längst nicht zurück.
Zuversicht muss her
Auch Andreas Freundt, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Aschaffenburg, bemerkt heute noch Folgen der damaligen Corona-Maßnahmen. „Deutschland steckt seit fünf Jahren in einer Wirtschaftskrise, also von Erholung keine Spur. Davon sind auch unsere Unternehmen am Bayerischen Untermain betroffen. Die Krise hat nicht nur mit der Corona-Pandemie, sondern auch mit den Folgen des Ukraine-Krieges zu tun“, erklärt Freundt. „Wenn man sich konkret die Branchen anschaut, waren insbesondere der Einzelhandel, Gastronomie, Tourismus und die Veranstaltungswirtschaft von den Lockdowns betroffen. Das haben wir als Verbraucher natürlich gemerkt, dass vom einen auf den anderen Tag der Schalter umgelegt wurde. Wir waren sehr froh, als es dann Stück für Stück wieder Lockerungen gab.“ Allerdings sei die Corona-Pandemie nur der Anfang der bis heute andauernden wirtschaftlichen Krise gewesen. So leide beispielsweise die Industrie unter einer Auftragsflaute. Der Optimismus dürfe allerdings nicht verloren gehen. „Wir müssen durch Mut, Leistung und neue Rahmenbedingungen Zuversicht bekommen“, stellt Freundt klar.
Einige leiden bis heute
Gerade für alleinstehende Menschen oder diejenigen, die viel unterwegs waren und jede Menge Kontakte hatten, waren die Lockdowns eine harte Zeit. Davon berichtet Gunnar Reefschläger, Psychotherapeut in Aschaffenburg. „Es ist schwierig, alle langfristigen Folgen zu erfassen, da sie sehr individuell und abhängig von den Lebensumständen der Menschen sind. Bei manchen hallen diese Einschränkungen eindeutig noch nach. Alleinstehende Menschen, die zuvor regelmäßig soziale Kontakte pflegten, erlebten während und nach den Lockdowns eine verstärkte Einsamkeit. Diese Isolation konnte zu Depressionen oder Angstzuständen führen.“ Menschen, die oft unterwegs waren und viele Kontakte pflegten, verloren durch die Einschränkungen häufig wichtige Netzwerke, so Reefschläger. „Viele von ihnen entwickelten langfristig neue Gewohnheiten, oft mit weniger Bewegung und sozialer Interaktion, was zu einem verminderten psychischen und physischen Wohlbefinden führen kann.“ Zwar haben sich die Lebensbedingungen in vielen Bereichen normalisiert, aber für einige Menschen bleibe die soziale Isolation ein fortwährendes Thema.
„Zufriedenstellend gemeistert“
„Perfekt ging nicht und perfekt war auch niemand, aber es war auch keine ‚Vollkatastrophe‘, zumindest schulisch gesehen nicht. Grundsätzlich haben wir die damalige Situation zufrieden stellend gemeistert, ich würde uns also eine Schulnote 3 geben“, bilanziert Ansgar Stich, Schulleiter des Johannes-Butzbach-Gymnasiums in Miltenberg. „Lerndefizite im stofflichen Sinne sind nicht mehr spürbar, höchstens vereinzelte ‚Lernhaltungsdefizite‘, so ein bisschen nach dem Motto: Einzelne haben gelernt, dass Anwesenheit in der Schule nicht existentiell wichtig zu sein scheint.“ Positiv könne man auf jeden Fall einen natürlicheren und routinierteren Umgang mit jeglicher elektronischer Technik mitnehmen, das hätten die Schüler durch den Online-Unterricht gelernt. Eines ist definitiv klar: Die Corona-Lockdowns haben ihre Spuren hinterlassen, auch wenn für die meisten Menschen schon lange wieder Normalität eingekehrt ist. Gerade diejenigen, die um ihre Existenz bangen mussten und unsere Wirtschaft verzeihen die Maßnahmen nicht so schnell. Vielleicht sehen viele seitdem aber auch, dass ein Restaurant- oder Kinobesuch eben doch keine Selbstverständlichkeit ist und schätzen die Möglichkeit, auszugehen umso mehr und genießen die kleinen Dinge des Lebens.
Das sagen unsere Leser:
Marina Ferderer aus Aschaffenburg: „In meinem Beruf als Krankenschwester habe ich die Auswirkungen eher negativ mitgekriegt. Ich hatte viele Kinder mit Depressionen bei mir. Gesellschaftlich hat sich auch was geändert, denn die Menschen sind zurückhaltender geworden und sind nicht mehr so offen.“
Iris Yildirim aus Aschaffenburg: „Zu Beginn des Lockdowns war ich noch in der Schule und da waren wir alle im Home-Schooling. Auch heute wird viel Home-Office gemacht, ich bevorzuge jedoch die Arbeit im Büro, da kann ich mich besser konzentrieren.“
Astrid Krumpak-Winkler aus Karlstein: „Die Leute sind definitiv ängstlicher geworden. Das Maskentragen war eine Herausforderung. Da nicht viel Feiern angesagt war, war es zu der Zeit schön ruhig. Auch die Arbeit im Home-Office war schön ruhig. Das mache ich heute immer noch und ohne Corona wäre das wahrscheinlich nie gekommen.“
Max Bernhard aus Aschaffenburg: „Die Menschen sind seit dem Lockdown viel ängstlicher geworden. Das ist auch heute noch so.“
Paloma Winkler aus Alzenau: „Die Schulen haben sich digitalisiert. Das war für die Kinder sehr cool und was Neues.“
Dommenico Cirillo aus Aschaffenburg: „In den Lokalen ist auch nicht mehr so viel los wie vor dem Lockdown. Für mich ist das Thema allerdings abgehakt.“
Günther Daum aus Aschaffenburg: „Ich achte mehr auf die Menschen, die Masken tragen, das war davor natürlich nicht so. Hände schüttele ich auch nicht mehr so gerne. Seitdem achte ich mehr drauf, meine Hände zu waschen.“
Umutcan Gümüstekin aus Goldbach: „Das Home-Schooling hat sich zu Beginn sehr gezogen. Auch als Corona vorbei war, wurden wir von zu Hause unterrichtet. Das war ein Schritt in die Zukunft.“

Valeria Olariu aus Aschaffenburg: „Die Menschen sind ängstlicher geworden und gehen auf Abstand, wenn jemand hustet. Durch das Home-Office gingen viele Kontakte verloren und die Menschen schlüpfen jetzt viel mehr in das Digitale. Die Situation hat mich dazu gebracht, das Leben wertzuschätzen und die eigene Freiheit genießen zu können.“

Horst Link aus Flörsbachthal: „Ich finde es super, dass wir wieder freier sind und ohne Angst den Nächsten begegnen können. Zur Lockdown-Zeit waren die Leute zwar skeptisch, aber aufgeschlossen. Das habe ich als sehr positiv wahrgenommen.“